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Potsdam-Mittelmark: Daheim – irgendwo in der Fremde

Der in Kambodscha geborene Can Phu erzählte in Werder von seiner Irrfahrt bis nach Deutschland, wo er seit 25 Jahren lebt

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Der in Kambodscha geborene Can Phu erzählte in Werder von seiner Irrfahrt bis nach Deutschland, wo er seit 25 Jahren lebt Werder. Der Mensch muss ein Zuhause haben, sonst ist es mit ihm nichts. Was aber, wenn sich das „Mutterland" derer nicht annimmt, die außerhalb seiner Grenzen geboren sind und man bestenfalls geduldet wird, wo es einen gerade hinverschlug? Der Exil-Chinese Can Phu konnte dem Werderaner Heimatverein kürzlich in allerbestem Deutsch so manche Geschichte aus seiner Lebens-Odyssee berichten, spiegeln sich darin doch alle Ränke der großen Politik dramatisch passgenau als Einzelschicksal wider. Er wurde als Sohn chinesischer Eltern in Kambodscha geboren, ohne irgendwo dazuzugehören, außer zum eigenen, traditionell festen Familienverband. Als Kind erlebte er, wie Pol Pot 1975 seine Schreckensherrschaft errichtete. Sein so oft zitierter „Steinzeit-Kommunismus" favorisierte die Bauern, alle anderen waren „Schmarotzer" ihrer Arbeit. Eine große „Entstädterung" (Vertreibung) setzte ein, wer eine Brille trug, galt zudem als intellektuell und wurde sofort erschlagen. Auch die Familie von Can Phan bekam, wie fast zwei Millionen anderer Hauptstädter, den Befehl, Pnom Penh augenblicklich zu verlassen, eigene Sachen durften nicht mitgenommen werden. Alternative: Erschießen. Üblicherweise trennte man die Familien in Männer, Frauen sowie Alte und Kinder, zu denen Cans Großmutter und er gehörten. Nach der Vertreibung aus den „Quellen des Bösen" erwartete die Deportanten Arbeiten bis zum Umfallen und gezielter Hungertod. Hacken und Spaten waren dann die üblichen Mordwerkzeuge. Auch bewaffnete Kinder brachten Tausende um, sie durften sich ihre Opfer sogar aussuchen. Diese Sippe hatte Glück. Durch Umwege gelang allen die der die Flucht nach Vietnam. Can und ein Teil der Seinen konnten sich einem vietnamesischen Flüchtlingstreck anschließen. Drei Wochen Fußmarsch auf der Nationalstraße 7 mit viel Schweigen, um sich nicht zu verraten, man beherrschte ja die Sprache dieser Fremden nicht. Auch Saigon vertrieb sie wieder, aufs Land. Das war Juni 1975. Man lebte kärglich vom Reisanbau, den man nie gelernt hatte, und von der Hilfe der chinesischen Diaspora. Vom „Mutterland" provozierte Grenzkonflikte mit Vietnam, die Pol Pot militärisch entlasten sollten, führten 1978/1979 zur Verhaftung seiner Eltern und des älteren Bruders. Vorwurf: Sabotage am sozialistischen Aufbau. Mit gefälschten Papieren gelang seiner Großmutter, dem kleinen Bruder und ihm die Flucht als „Boat People" nach Hongkong, 325 Leute fuhren über acht Tage in einem 20 Meter langen Fischerboot, erzählt er. In der britischen Kronkolonie galten sie nun als „illegale Einwanderer", man gab ihnen Nummern und steckte sie in ein Lager aus Blechbaracken für 600 Menschen, ein Bett für drei Personen. Aber immerhin Leben, Juni 1979. Der Rest war im „Hotel zur Insel" schnell erzählt. Leute mit Listen fragten, wohin man auszureisen wünsche. Die meisten zog es in die USA (zwei Jahre Wartezeit), nach Kanada oder Australien. Deutschland ging sofort, und so kamen die Großmutter, sein Bruder und er am 21. September 1979 in Tegel an. Kulturschock: statt quickbelebter Straßen gähnende Leere an diesem Sonntagmorgen. Mit Hilfe einer engagierten Berlinerin gelang es Can Phu, sich des Deutschen zu bemächtigen. Er absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaft, jetzt arbeitet er als freier Mitarbeiter in einer großen Firma der Hauptstadt. Seit 1989 im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft, konnte er sogar seine gesamte Familie nach Berlin zu holen. Keiner ging verloren in den Wirren dieser odysseeischen Jahre, ein Wunder. 25 Jahre Germany? Er habe bisher kaum schlechte Erfahrungen gemacht. Obwohl diametral entgegengesetzt, lebt er mit den zwei Kulturen gut, einer angeborenen und der erwählten. Angekommen daheim – irgendwo in der Fremde. g.p.

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