KulTOUR: Darm und Stahl
Bernhard Frock mit der barocken und modernen Geige im Einsteinhaus
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Schwielowsee · Caputh - Albert Einstein soll die Violine nicht gut, dafür leidenschaftlich gespielt haben. Bis zum dreizehnten Lebensjahr nahm er Unterricht, danach übte er im Selbststudium. Vor allem Mozartsonaten waren Ausgleich zu naturwissenschaftlichen Studien des Physikers im verdunkelten Arbeitszimmer.
Mozart stand nicht auf dem Konzertprogramm der Caputher Musiken am Sonntag im gut besuchten Garten des Einsteinhauses. Telemann, Yun, Biber, Hindemith und Bach hatte Bernhard Forck für seinen Überblick über die „barocke und moderne Solo-Geige“ zusammengestellt. Ein Programm der Gegensätze, auch wenn es Verbindungen gibt. Yuns „Königliches Thema“ bezieht sich auf Bach und wer Bibers Passacaglia aus dem Rosenkranz-Zyklus hört, wird Parallelen zu Bachs Ciaccona finden. Trotzdem – die Zusammenstellung blieb Experiment.
Forck ist einer der Konzertmeister der Akademie für alte Musik in Berlin und Leiter des Händelfestspielorchesters in Halle. So war im Einsteingarten schnell klar, auf welchem Instrument er zu Hause ist: auf der mit Darmsaiten bespannten, einen Halbton tiefer gestimmten Barockvioline. Isang Yuns „Königliches Thema“, das stellenweise abgründige Portrait einer geschundenen Seele und Paul Hindemiths Sonata op.31 No.2 auf der modernen, wegen ihrer Stahlsaiten durchsetzungsfähigeren Violine hinterließen keinen bleibenden Eindruck. Das lag weniger an Forck. Vogelgezwitscher, Flugzeuge, Kindergeschrei und röhrende Auspuffanlagen gehören zu den Nebenwirkungen eines Gartenkonzertes, die man selten als störend empfinden muss. Für Yun und Hindemith war es abträglich.
Mit Georg Philipp Telemanns Fantasia in Es-Dur hatte Forck das Konzert eröffnet. Ein fast beschwingter Einstieg, dem etwas Farbe zu fehlen schien. Vielleicht lag das am beständigen Wind und dem Protest der Vögel. Bibers Passacaglia dagegen mit kräftigem Bogenstrich, Spannung aufbauend und wieder lösend, eine variantenreiche Geschichte über ein Thema.
Zum Abschluss Bachs bekannte Partita Nr.2 in d-Moll mit der unvergleichlichen Ciaccona. Die Allemande als erhabener Einstieg, die Corrente nicht zu keck, die Sarabanda ein weicher Fluss, gefolgt von einer geladenen Giga. Forck beherrscht seinen Bach, spielt ihn mit feinen Tönen und Gespür für Spannungen, ein bescheidener Solist, der nicht sich in den Vordergrund stellt. Die Ciaccona als krönender Abschluss, bei der Forck dann Tribut an die kühle Luft im Garten zahlen und die letzten Variationen mit zum Teil verstimmten Saiten meistern musste. Mozart, wie Einstein ihn liebte, blieb bis auf Hindemiths fünf Variationen über „Komm lieber Mai“ außen vor. Da hätte man sich ein wenig mehr gewünscht. Dem ehemaligen Hausherrn zuliebe.
Dirk Becker
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