Potsdam-Mittelmark: „Das Dilemma war programmiert“
Linke: Werder denkt über Ausstiegsszenario für Blütentherme nach. Rathaus: Das sind Spekulationen
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Werder (Havel) - Zäsur für die Blütentherme: Die Stadt Werder überlegt offenbar ernsthaft, die Zusammenarbeit mit ihrem Projektpartner, der Kristall Bäder AG aus Stein (Bayern), zu beenden. Das wurde den PNN von mehreren Seiten aus der Stadtpolitik bestätigt. Offiziell platzen ließ die Bombe der Landtagsabgeordnete Andreas Bernig von den Linken. „Ich weiß, dass die Stadt über ein Ausstiegsszenario nachdenkt“, sagte Bernig gegenüber den PNN am gestrigen Montag. Das Rathaus wollte das nicht bestätigen. Auch die CDU-Stadtfraktion wandte sich gegen derartige Verlautbarungen.
Bernig ist sich derweil sicher: Nach der wiederholten Verschiebung des Eröffnungstermins steht die Stadt unmittelbar vor der Entscheidung, den Vertrag mit der Kristall Bäder AG zu kündigen. Dem Vernehmen nach soll die Kristall Bäder AG nächste Woche letztmalig die Möglichkeit bekommen, einen verbindlichen Plan und Sicherheiten zum Projektabschluss vorzulegen.
Zuletzt hatte das Unternehmen nach wiederholten Verschiebungen des Starts auch den Eröffnungstermin im Dezember aufgekündigt und keinen neuen mehr genannt. Begründet wurde dies mit „nicht eingehaltenen Zusagen und Zahlungen des Rathauses“. Die Kristall AG kündigte an, die Bauaktivitäten zurückzufahren, tatsächlich sind kaum noch Bauleute auf der Baustelle zu sehen.
Die Therme sollte an sich für 18 Millionen Euro gebaut werden. Die Stadt hat dieses Geld fast bezahlt, doch die Fertigstellungskosten werden sich laut Angaben der Kristall Bäder AG auf 24,8 Millionen Euro belaufen. Die Differenz kann das Unternehmen ganz offensichtlich derzeit nicht allein aufbringen. Die Stadt ist zwar bereit, einen Teil zu übernehmen, hat 900 000 Euro schon fest zugesagt. Für weitere 1,8 Millionen will man aber Sicherheiten. Bislang sind sich die Vertragspartner nicht einig. Jetzt will das Rathaus offenbar den Druck auf den Aufsichtsratschef der Firma, Heinz Steinhart, erhöhen und eine Kündigung des Vertrages nicht mehr ausschließen.
Für Andreas Bernig eine Steilvorlage: Er hatte schon zur Grundsteinlegung im Oktober 2011 prophezeit, dass die Kosten für das Großprojekt explodieren werden, zumal zwei weitere Bieter für die öffentlich-private Partnerschaft ein Angebot von 22 Millionen Euro abgegeben hatten, da die gewünschte Therme für weniger nicht zu bauen sei. Bernig erklärte am gestrigen Montag unter der Überschrift „Blütentherme in Werder vor dem Aus?“ in einer Pressemitteilung: „Das Land hatte seinerzeit eine Förderung wegen mangelnden Bedarfs abgelehnt.“ Trotzdem habe die Stadtverordnetenversammlung mit ihrer CDU-Mehrheit entschieden, die Therme in öffentlich-privater Partnerschaft zu bauen. Was nicht ganz richtig ist: Der Beschluss fiel mit deutlicher Mehrheit aller Fraktionen, auch der Linken.
Bernig sprach wörtlich von einem „windigen Auftragnehmer“, das Dilemma sei programmiert gewesen. „Bäderkönig“ Heinz Steinhart, der etwa ein Dutzend Thermen in Deutschland betreibt, ist zumindest dafür bekannt, Streitigkeiten offen auszutragen. So hatte er die Schließung der Fichtelberg-Therme in Oberfranken (Bayern) angekündigt, als er sich mit der Kommune nicht über Zahlungen einig werden konnte, die nach dem Umbau fällig wurden. Kurz vor dem letzten Badetag brannte die Therme, auch Steinhart schien erschrocken. Die Versicherung sprach von „Eigenbrandstiftung“, blieb aber Beweise schuldig. Steinhart besteht auf Zahlung der Versicherungssumme, nächste Woche trifft man sich dazu vor dem Oberlandesgericht in Bamberg.
In der erfolgreichen Kristalltherme in Seelze streitet sich Steinhart mit der Kommune um den Erwerb. Dort gibt es ein ähnliches Modell wie in Werder: Die Stadt hat den Neubau finanziert, nach fünf Jahren sollte Kristall das Bad zur Restschuldsumme übernehmen. Jetzt ist es so weit, doch die Kristall AG will nur einen Teil der Restschuld zahlen. Gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen argumentierte Steinhart vor einigen Tagen mit Zusatzkosten und sagte: „Das mit der Restschuld ist eine laienhafte Betrachtung.“ Für die PNN war gestern niemand aus dem Unternehmen erreichbar.
In Werder hatte Steinhart dargelegt, dass man einen Porsche statt eines VW baue, um der zu erwartenden Konkurrenz durch das neue Bad in Potsdam zu begegnen. Allerdings war das so durch den Vertrag mit der Stadt nicht gedeckt. Der Landtagskandidat der Linken, Sascha Krämer, sagte gestern: „Das ist hanebüchen. Statt in Konkurrenz mit Potsdam zu treten, wäre eine interkommunale Zusammenarbeit angesagt.“ Werders Blütentherme sei ein typisches Beispiel von Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste. „Gemeinwohlorientierte Wirtschaftskompetenz sieht anders aus.“
Werders 1. Beigeordnete Manuela Saß sagte auf Anfrage, sie werde sich an Spekulationen nicht beteiligen. „Wir haben einen Vertrag und wenn sich alle daran halten, tun wir das auch.“ Werders CDU-Fraktionssprecher Christian Große sagte, man könne über Krämer und Bernig nur den Kopf schütteln. „Statt sich für die Stadt einzusetzen, versucht man mal wieder, mit Krawall eine möglichst große Schlagzeile vor der Wahl zu produzieren.“ Werders Linke forderte er auf, sich von den Äußerungen zu distanzieren.
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