ORTSTERMIN: Das Gespenst vom Straßenbau
Stahnsdorf - Sie ist die eine gegen alle: Die Arme weit ausgebreitet steht Ingrid-Brigitte Werner am Mikrofon im Stahnsdorfer Rathaus. Ein roter Punkt leuchtet am Gerät und rot sind auch ihre Wangen.
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Stahnsdorf - Sie ist die eine gegen alle: Die Arme weit ausgebreitet steht Ingrid-Brigitte Werner am Mikrofon im Stahnsdorfer Rathaus. Ein roter Punkt leuchtet am Gerät und rot sind auch ihre Wangen. „Verstehen Sie, wie stinkwütend ich bin“, ruft die Stahnsdorferin in den Saal. Ihre Stimme vibriert. „Im Ort geht ein Gespenst vom Straßenbau um“, sagt sie und ihr linker Pumps stampft auf den Boden. Teurer Straßenbau, sagt Ingrid-Brigitte Werner. „Sollen wir jetzt etwa Protest machen?“
In einer außergewöhnlichen Stahnsdorfer Gemeindevertretersitzung hatten sich am Dienstagabend noch einmal die Vertreter der abgelaufenen Legislatur getroffen. Sie mussten im Rathaus zu Ende bringen, was sie vor der Wahl nicht geschafft hatten: die letzte Sitzung abzuschließen. Drei Tage vor Stimmenabgabe hatten sie sich in lange Debatten verstrickt, bis das Zeitlimit erreicht war. Eine Fortsetzung musste her – obwohl einige der Politiker nicht mehr in den neuen Rat gewählt wurden. Ingrid-Brigitte Werner war das egal. Sie rechnete gleich mit allen ab.
Die Lippen geschminkt, die Haare hochgeföhnt redete sich die Dame in der Einwohnerfragestunde in Rage: „Viele können sich den Straßenbau nicht leisten“, schrillte ihre Stimme. Da hatten die Politiker gerade einen Vorschlag der CDU zurückgezogen, die Beteiligung der Anwohner am Straßenbau zu senken. Wie in anderen Kommunen hätten Stahnsdorfer dann nicht mehr 90 Prozent zum Bau dazugeben sollen, sondern teilweise nur noch 60 Prozent.
„Grundstücksbesitzer sind nicht alle reich“, entfuhr es Ingrid-Brigitte Werner. Überhaupt seien es doch die neu Zugezogenen, die den Alteingesessenen die Straßen kaputtgefahren hätten: mit ihren Baufahrzeugen und Baggern. „Und jetzt muss plötzlich eine neue Straße her!“
Knapp 70 Straßen im schlechten Zustand müssen in Stahnsdorf noch ausgebaut werden. Auf vielen Fahrbahnen bricht die Pflasterdecke auf oder bilden sich Schlaglöcher. Sandstraßen werden nach einem Regenguss nicht selten zu Schlammpisten. Hunderte von Anwohnern müssen dafür noch zahlen. Bislang hatte Stahnsdorf am Ausbau gespart, auch um sie zu schonen. Denn die Gemeinde übernimmt bislang eben nur zehn Prozent der Erschließungskosten, beim Ausbau einer vorhandenen Straße sind es immerhin 25 Prozent.
„Ich finde das ungerecht“, tobte Ingrid-Brigitte Werner. „Zehn Prozent ist zu wenig, das lassen wir uns nicht gefallen“, mahnte sie die Politik – und die Politiker hatten ihre Mühe, die Dame zu beruhigen.
Bürgermeister Bernd Albers (BfB) versprach, dass die Gemeinde bei der Abzahlung der Kosten entgegenkommen werde. Peter Weiß (CDU) kündigte an, den Vorschlag zur Entlastung der Anwohner beim Straßenbau im Herbst wieder zur Abstimmung stellen zu wollen. SPD-Fraktionschef Dietmar Otto versprach, das mit Wohlwollen zu prüfen. Auch Michael Grunwaldt (BfB) bezeichnete es als einen Schritt in die richtige Richtung, die Anwohnerbeiträge zum Straßenbau zu senken. Zudem soll eine Prioritätenliste Auskunft darüber geben, wann welche Straße gebaut werden soll.
Über Prioritätenliste und Anwohnerbeteiligung sollen die neuen Gemeindevertreter entscheiden, hieß es am Dienstag. Die werden erstmals am 24. Juni tagen. Ingrid-Brigitte Werner will dann wieder im Rathaus sitzen – um über das Straßenbaugespenst zu wachen, sagte sie.
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