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Potsdam-Mittelmark: Das Große im Kleinen

Heimatgeschichten aus Caputh von Inge Dallorso

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Heimatgeschichten aus Caputh von Inge Dallorso Von Gerold Paul Schwielowsee · Caputh - Schützelkuchen, Kunstdiek, Tienen – was sollte das sein? Wer in dem gerade erschienenen Band „Caputher Heimatgeschichten“ blättert, erfährt es im Nu. Am Sonntag wurde die Neuerscheinung zur Vergangenheit des Ortes – „gelebt, geforscht, gearbeitet und aufgeschrieben von Inge Dallorso“ – bei schönstem Sonnenschein auf dem Hof der Caputher Kita nahe der Autofähre präsentiert, wo es chaotischer zuzugehen schien als in Chicago. Schon Fontane hatte ja notiert: „Caputh – das Chicago des Schwielowsees“. Tatsächlich spiegelt sich in diesem wundersamen Flecken ganz goethisch das Große im Kleinen wider, die Geschichte in ihren Geschichten, in Namen und Adressen, Straßen und Fluren, ein ganzes Kapitel Sozialhistorie vom Anfang bis zur Gegenwart. Aber auch Befindlichkeit, der Fleiß, früh aufzustehen und das Tagewerk zu achten. Eine 35-Stunden-Woche, nee, das kannten wir nicht, und wollten es auch gar nicht, sagte die langjährige Orts-Chronistin und Autorin, Jahrgang 1928, vor überwiegend älteren Caputhern, bevor der „Rote Adler“ abgesungen wurde. Was sie von ihren Eltern und Großeltern gehört oder in Archiven recherchiert hatte, schrieb „Stuttrichs Inge“ mit Sach- und Fachkenntnis gut lesbar nieder. Co-Redakteur war Wolfgang Post. Eingebettet in die Großereignisse seit 1317, steht hier das Leben der Caputher Menschen, ihre Mentalität und besondere Sprache im Vordergrund. Inge Dallorso geht dem Ortsnamen nach, berichtet von der Verwüstung im Dreißigjährigen Krieg, als nur ein Caputher überlebte, vom Tun des Kurfürsten und seiner Gattinnen. Damals legte man sich Karpfenteiche an, die nach drei Wirtschaftsjahren zuschüttet wurden, um dort Hafer anzubauen; zwischendurch hielt man den Fisch in künstlichen Teichen – Kunstdieken. Dann ging es von vorne los. Auch Friedrich II. ließ auf das Landvolk nichts kommen: „Was meine Feinde mir nehmen, bringen mir die Caputher in ihrer Tragekiepe wieder zurück“. Große Bauernhöfe gab es dort nie, aber viel Pacht- und Eigentumsland. Und war die Not besonders groß, wie nach dem zweiten Weltkrieg, wurde auch urbar gemacht. Inge Dallorso berichtet stets konkret: Wer in den Urzeiten wie viel Zins zu zahlen hatte, wie man in Krisenzeiten über die Runden und was auf den einfachen Caputher Tisch kam – auch Schützelkuchen, ein Teig- und Speck-Gebäck, mit Zucker überstreut. Unter den Nazis war eine Zeit, wo man „in der Partei“ sein musste, um zu bauen und auf dem Markt zu verkaufen. Drei Caputher, so die Chronik, „opferten“ sich für die Allgemeinheit, sie traten ein. Man liest und liest, und wird mit diesem Band nicht fertig. Fleiß, Erfindungsreichtum, Heimatgefühl und dieser Überlebenswille bei allen Bedrängnissen lassen einen den Hut ziehen. Frost und politischer Unbill verhinderten ja oft genug, von den Früchten seiner Arbeit zu leben. Also suchte man in den späten Vierzigern und Fünfzigern nach Wegen, Obst und Gemüse in Westberlin anzubieten. In der DDR war erst ein „Soll“ erbringen, um auf dem Markt verkaufen zu können. Die reich illustrierte Broschüre ist lehrreich und fast überall Exempel: Zur Zeit der Bodenreform (die Autorin nennt auch Vorzüge) bekam jeder Antragsteller Land. Doch bald sah man, dass nicht jeder in der Lage war, es zu bestellen – es wurde wieder aufgeforstet. Oder man schuf 1957 die erste „Gärtnerische Produktionsgenossenschaft“ der DDR mit Leuten, die zwar alles besser wussten, aber letztlich keine Ahnung hatten. Die GPG kam nie hoch. Was es aber mit „Tienen“ und den „Knackbunden“ auf sich hat, sollte man selber nachlesen. Auf dann! „Caputher Heimatgeschichten und der Obstbau in Caputh, gelebt, gearbeitet, geforscht und aufgeschrieben von Inge Dallorso“, Eigenverlag, 116 Seiten, 9.50 €. Nur in Caputh (z.B. Heimathaus) erhältlich.

Gerold Paul

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