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FAHRSICHERHEITSZENTRUM: Das größte seiner Art „Wir raten, die Wohlfühlgeschwindigkeit zu wählen“

Cornelius Jahn, Trainingsleiter im Fahrsicherheitszentrum Linthe, zum Auto fahren bei Eis und Nässe sowie zum Zweck eines Fahrsicherheitstrainings

Stand:

Das ADAC Fahrsicherheitszentrum Berlin-Brandenburg wurde am 30. Oktober 2002 eröffnet. Mit 25 Hektar Fläche, sechs Kilometern Streckenlänge, 14 Fahrmodulen, hydraulischen Dynamikplatten und einem Off-Road-Gelände ist sie die größte Anlage ihrer Art in Europa. Das Zentrum befindet sich in Linthe, südlich von Berlin an der Autobahn A 9. wh

www.fahrsicherheit.de/linthe/

Der Wintereinbruch hat sich verschoben, die Effekte sind dieselben: Es gab zum Monatswechsel in Ferch, Lehnin und Stahnsdorf drei Verkehrstote. In Ferch war die Unfallursache ganz eindeutig die nasse Fahrbahn: Der Schnee war über Nacht getaut, der Autofahrer fuhr in der Kurve beim Bahnhof Lienewitz gegen einen Baum. Reicht es langsamer zu fahren, um solche Unfälle zu vermeiden?

Die Anpassung der Geschwindigkeit ist eine Voraussetzung. Daneben tragen vorausschauendes Fahren, die richtige Reifenwahl und der einwandfreie technische Zustand des Fahrzeugs zur Sicherheit bei. Grundsätzlich gilt: Wer Gefahrensituationen rechtzeitig erkennt, kann durch rechtzeitige Schritte die Notsituation vermeiden.

Sie haben als Fahrsicherheitstrainer Erfahrungen mit den Fahreigenschaften von Autos in Extremsituationen. Welches Tempo empfehlen Sie, wenn Landstraßen oder Autobahnen nass und glatt sind?

Allgemein gilt: je mehr Feuchtigkeit bei Kälte in der Luft und auf der Straße ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, sich auf einer weniger griffigen Fahrbahn zu bewegen. Eine konkrete Empfehlung können wir nicht aussprechen – wir raten den Teilnehmern unseres Sicherheitstrainings, durchaus die Wohlfühlgeschwindigkeit zu wählen, ohne als Verkehrshindernis zu wirken oder aber andere Verkehrsteilnehmer durch riskante Manöver in Gefahrensituationen zu bringen.

Die Mittelmark ist voller Alleen, die Bäume führen bei Unfällen, wie im Fall Ferch, allerdings oft zu besonders starken Verletzungen. Müssen die Bäume weg?

Die Bäume alleine werden an den Unfällen kaum Schuld tragen. Nur im Fall einer Unfallsituation stellen sie zusätzliche Risikofaktoren dar. Auch hier kommt es für den Fahrer darauf an, den Umständen Rechnung zu tragen und die nötige Vorsicht walten zu lassen. Das Thema Blickführung, im Sicherheitstraining ein wichtiger Bestandteil, erhält durch unübersichtliche Alleen ein besonderes Gewicht. Hier muss die konsequente Beobachtung des Gegenverkehrs trotz kurviger Passagen funktionieren. Und wie immer ist auch hier die angepasste Geschwindigkeit elementar.

Das Fahrsicherheitszentrum in Linthe ist jetzt mehr als vier Jahre am Markt. Welche Fehler sind über falsches Tempo hinaus bei den Trainings am häufigsten zu beobachten?

Über das Tempo hinaus bringen die allgemeine Selbstüberschätzung, kaum ausgeprägtes Risikobewusstsein, ein zu geringer Abstand aber auch technische Mängel Verkehrsteilnehmer in Gefahrensituationen. Natürlich fehlt es den meisten unserer Teilnehmer auch an der Übung in gefährlichen Situationen, beispielsweise das Realisieren des kürzesten Bremsweges durch eine echte Notbremsung.

Zum Jahreswechsel herrschte wegen der neuen Gesetzeslage Verwirrung zur Wahl des richtigen Reifens. Der ADAC erklärte mitten im warmen Januar dann auch noch, dass Winterreifen erst bei Temperaturen unter 7 Grad ihre Wirkung entfalten und Sommerreifen bei Temperaturen darüber weit überlegen sind. Wann soll man die Reifen denn nun am besten wechseln?

Eine Empfehlung wäre an sich ja nur tagesweise gültig, den optimalen Reifen gibt es nicht. Wir empfehlen die Eselsbrücke von O bis O, das heißt von Oktober bis Ostern. In dieser Zeit sollte man mit Winterreifen, die nicht älter als fünf Jahre sind, unterwegs sein, um nicht mit Sommerreifen von einem plötzlichen Wintereinbruch überrascht zu werden. Dann überwiegt die Anzahl der positiven Eigenschaften des Winterreifens gegenüber seinem Sommer-Pendant.

Zum Fahrsicherheitszentrum: Wie viele Kunden haben es bisher besucht – ist er der Erfolg, den sich der ADAC erhofft hat?

Mit über 65 000 Teilnehmern im ADAC-Fahrsicherheitszentrum kann man im fünften Jahr sicherlich von einem Erfolg im Sinne eines Beitrags zur Erhöhung des allgemeinen Verkehrssicherheit sprechen. An diesem Erfolg werden wir kontinuierlich weiterarbeiten. Hervorheben möchte ich unsere Aktivitäten für junge Fahranfänger. Alleine im letzten Jahr konnten wir mehr als 2 000 junge Fahrer zu einem Ganztagestraining begrüßen – in einer Altersklasse, in der mit Abstand die meisten Unfälle passieren. Für die nächsten fünf Jahre möchten wir insgesamt weitere 15 000 Fahranfänger in Linthe begrüßen.

Sind es vor allem Geschäfts- oder Privatkunden, die zu den Trainings kommen?

Das hält sich durchaus die Waage. Im Geschäftsbereich ist es in der Regel der Mitarbeiter, der von seinem Arbeitgeber zu einer fahrerischen Weiterbildung geschickt wird – eine Weiterbildung, die auch eine ganze Menge Spaß macht. Darüber hinaus werden wir auch als Plattform für Produktpräsentationen genutzt – bei solchen Geschichten steht natürlich eher der reine Fahrspaß im Vordergrund.

Manche Kfz-Versicherungen senken die Prämien, wenn man an einem solchen Training teilgenommen hat. Lässt sich beziffern, wie viel sicherer ein Autofahrer dadurch wird?

Leider gibt es dazu keine zuverlässigen Statistiken, jedoch trägt jeder Trainingsteilnehmer für sich und für die Allgemeinheit zur Verkehrssicherheit bei. Der Haupteffekt einer Trainingsteilnahme liegt schließlich in der Ausbildung eines neuen Fahrens, der Etablierung eines neuen Bewusstseins für die Gefahren im Straßenverkehr.

Das Interview führte Henry Klix

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