Von Tobias Reichelt: Das kleinere Übel
Stahnsdorf will die Windräder nicht, aber irgendwo müssen sie wohl hin
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Stahnsdorf - Der Kampf gegen Windräder kann einsam sein: „Vielleicht sollten wir auch mal ein Schild aufhängen, wie die in Schenkenhorst?“, fragt Jeanine Heinrich in die kleine Runde des Sputendorfer Ortsbeirates. Drei Leute haben sich hier am Dienstagabend versammelt. Für sie geht es um nicht weniger als die Zukunft des 500 Einwohner zählenden Stahnsdorfer Ortsteils. Es geht um den Bau von 23 Windkraftanlagen, die sich vor dem Dorf bis zu 175 Meter in die Höhe recken sollen. Es geht um Lärm, Blinklichter, um die „verspargelte“ Heimat und an diesem Abend auch um die wohl letzte Möglichkeit, das zu verhindern. Doch der Preis dafür ist hoch – in Stahnsdorf bilden sich neue Lager.
Um dem geplanten Windpark einen Riegel vorzuschieben, hofft das Stahnsdorfer Rathaus auf einen geschickten Schachzug: Man gibt die Verweigerungshaltung auf, stellt aber neue Bedingungen. Ein Planwerk soll Flächen im Ort zur Windenergienutzung ausweisen, andere ausschließen. Der Windpark könnte auf acht oder neun Räder schrumpfen – aber alle stünden bei Sputendorf.
„Uns betrifft es als einzige, die von den Windkraftanlagen noch betroffen wären“, schäumt Sputendorfs Ortsvorsteher Klaus-Peter Schöttler. „Ich will hier gar keine Windkraftanlagen haben.“ Jeanine Heinrich unterstützt ihn: „Wir sind das kleinere Übel“, wirft sie den Politikern der anderen Ortsteile vor. „Das habe ich mir in meinen kühnsten Träumen nie vorgestellt“, sagt Paul Sandles beim Blick auf die Windparkpläne. Bedienten sich die Dorfpolitiker bisher am Vorwurf, der Investor übergehe sie mit seinen Plänen, fühlt man sich in Sputendorf nunmehr durch den Abwehrplan vom Rathaus übergangen.
Karin Steingräber, Ortsvorsteherin im benachbarten Schenkenhorst, hält den Abwehrplan derweil für die letzte Chance. „In Sputendorf sind die Leute noch nicht aufgewacht, das passiert erst, wenn die Kacke am dampfen ist“, erklärte sie auf Anfrage. Ihr Ortsbeirat hat den Plänen des Rathauses zugestimmt – eine schwere Entscheidung wie Steingräber betont. Eigentlich will die Windräder keiner, aber das Planwerk scheint der letzte Strohhalm, um den Park zu begrenzen. Das sei das kleinere Übel.
So sieht das auch Güterfeldes Ortsvorsteher Dietrich Huckshold: „Wenn wir das ablehnen, dann gibt es nicht anderes, dann haben die Investoren freie Hand.“ Die Windräder werden dann genauso an Güterfelde heranrücken, wie an Schenkehorst und Sputendorf. In der nächsten Woche wird der Ortsbeirat deshalb über den Teilflächennutzungsplan vom Rathaus beraten. Über Sputendorf schüttelt er den Kopf. „Ich denke, wir haben hier mehr Sachverstand“, sagt Huckshold.
Der Dörfer-Streit kommt zur Unzeit. Windparkinvestor Plan 8 und die Berliner Stadtgüter als Eigentümer eines Großteils der Rieselfelder zeigen sich ohnehin unbeeindruckt von den Plänen des Stahnsdorfer Rathauses. „Abschrecken lassen wir uns davon nicht“, sagt Stadtgüter-Chef Peter Hecktor. Im Gegenteil: Er sieht das Risiko bei der Kommune. Setze sie sich tatsächlich durch, drohe eine Schadenersatzklage in Millionenhöhe. „Kein Gemeindevertreter sollte sich hinter dem Vermögen der Gemeinde verstecken.“ Es habe schon Fälle gegeben, in denen die Politiker direkt zur Verantwortung gezogen wurden. Schon vor zwei Jahren habe man die Anträge für die Anlagen gestellt, in einem Jahr soll der Bau starten.
Im Sputendorfer Ortsbeirat schüttelt Ortsvorsteher Schöttler den Kopf. „Die machen sowieso alle, was sie wollen.“ Doch dann knallt Paul Sandles mit der Faust auf den Tisch: „Wir kommen aus der Sache noch raus“ – auf Beschluss des Sputendorfer Ortsbeirat werden alle Ortsteile zu einer Diskussionsrunde eingeladen. Politiker, Planer, selbst Ministerpräsident Matthias Platzeck sollen kommen. „Hier kommt kein Windrad hin“, sagt Sandles trotzig. Die Sache mit dem Schild übernimmt er.
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