Potsdam-Mittelmark: „Das können wir auch ohne Galgen“
Mit einem „Ruf vom Galgenberg“ macht der Freundeskreis Bismarckhöhe auf das Morgenstern-Jubiläum 2014 aufmerksam – und wirbt für ein Museum in Werder
Stand:
Werder (Havel) - „Wer vom Ziel nichts weiß, kann den Weg nicht haben, wird im selben Kreis all sein Leben traben“. Die am Mittwochabend im Salon der Bismarckhöhe vorgetragenen Verse von Christian Morgenstern (1871-1914) hat sich der Freundeskreis Bismarckhöhe zueigen gemacht: Aus dem bescheidenen Morgenstern-Zimmer im Turm der einstigen Höhengaststätte soll ein richtiges Museum werden. Ein großes Ziel, das bis zum 100. Todestag des Dichters im Jahr 2014 umgesetzt werden soll. Mit einem „Ruf vom Galgenberg“ werden die Öffentlichkeit in Politik, Kultur und Kunst, die Medien und die Christengemeinschaften aufgefordert, das Jubiläum vorzubereiten. „Ein Höhepunkt dieses Jahres könnte die Einweihung eines Christian-Morgenstern-Museums sein, das in der deutschen Kultur- und Museumslandschaft längst überfällig ist“, heißt es in dem Ruf, der zum 96. Todestag Morgensterns am Mittwoch erstmals verlesen wurde. Im Komplex der Bismarckhöhe würden dafür geeignete, noch zu sanierende Räumlichkeiten zur Verfügung stehen.
Jürgen Raßbach, Deutschlehrer am evangelischen Gymnasium Hermannswerder und Vorstandsmitglied des Freundeskreises, erinnerte in einer Gedenkrede an die Bedeutung der Bismarckhöhe – früher Galgenberg – für die Dichtkunst Morgensterns. In den Jahren 1895 und 1896 war Christian Morgenstern regelmäßig mit einer achtköpfigen Zechergemeinschaft im hiesigen Lokal aufgetaucht, um die Geisterstunde zu zelebrieren. Zu den bizarren Ritualen sind „Galgenlieder“ wie dieses entstanden: „Blödem Volke unverständlich treiben wir des Lebens Spiel. Gerade das, was unabwendlich, fruchtet unserm Spott als Ziel.“
Morgensterns Gestaltungskraft gleiche der Intensität, mit der sich ein Kind im Spiel verwirklicht, sagte Raßbach. Seine Distanz gegenüber dem „zur Schau gestellten Optimismus und der geistigen Dürftigkeit“ der Wilheminischen Ära, in die sein gesamtes Leben gezwängt war, lasse an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. „Servilismus und Grobheit attestiert ihr der sich selbst als unpolitisch charakterisierende, aber deutlich mit der Sozialdemokratie sympathisierende Schriftsteller“, so Raßbach. Was als geistvoll-witziger Studentenklamauk auf dem Galgenberg begann, habe sich im Laufe der Jahre in eine Lebensphilosophie gewandelt.
Zu der einstündigen Feierstunde am Mittwochabend kamen etwa 50 Gäste. Viele von ihnen schauten sich im Anschluss das Morgensternzimmer und die benachbarte Sonderausstellung „In MeMorgenstern“ an, in der Interpretationen von DDR-Malern zu Morgensterngedichten zu sehen sind. „Man sieht vom Galgen die Welt anders an, und man sieht andre Dinge als Andere“, hatte Morgenstern einst selbst seine Galgenlieder kommentiert. Professor Reinhardt Habel, Herausgeber der Morgenstern-Gesamtausgabe und einer der Unterzeichner des „Rufs vom Galgenberg“, ergänzte: „Mir scheint, das können wir zusammen mit unserem Morgenstern auch heute noch – und ohne Galgen!“
18 Freundeskreis-Mitglieder, Politiker, Künstler, Heimatforscher und Morgensternkenner haben den „Ruf vom Galgenberg“ unterzeichnet. „Der Freundeskreis will ihn nunmehr 200 Persönlichkeiten und Institutionen des öffentlichen politischen, kulturellen und künstlerischen Lebens übermitteln, um so eine vielseitige Unterstützung für die Ehrung eines großen Deutschen zu erreichen“, sagte das Freundeskreis-Vorstandsmitglied Achim Risch. Henry Klix
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: