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KulTOUR: Das Leben ist bunter
Geltower Grundschüler abstrahieren historische Goslich-Fotografien
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Schwielowsee - Vor gut zwei Jahren präsentierte die Malerin Alexandra Weidmann in der Petzower Schinkelkirche ganz erstaunliche Bilder. Sie hatte Schwarzweiß-Fotografien der gerade wiederentdeckten Marie Goslich (1859-1936) mit starken Farben und mit viel Phantasie so weit verändert, dass man zwar noch die Vorlage sah, trotzdem zweifelte niemand, Originale der gebürtigen Augsburgerin vor sich zu haben. Solche Art „Bild-Bearbeitung“ ist in der Künstlerschaft seit ewigen Zeiten üblich. Weniger allerdings, wenn Kinder diese Methode probieren.
So geschah es der Geltower Meusebach-Grundschule ganz unverhofft, dass zwei Damen genau in diesem Behuf ihre Dienste antrugen. Monika Olias (Kunst-Schule Potsdam) und die freie Malerin Susanne Ramolla erboten sich, anhand von Goslich-Fotografien mit interessierten Kindern ähnlich wie Alexandra Weidmann vorzugehen und nebenbei auch Verständnis für das Leben am Schwielowsee vor hundert Jahren zu pflegen. Da die Schule mit der geheimnisvollen Codierung „VHD mit iKb“ nicht einmal das Material stellen musste, gab es keinen Grund, das Angebot abzulehnen. Vier Tage lang machte die Direktion dafür sogar die Turnhalle frei.
Was nun mit Packpapier, Kleister, Schere, Ölpastellstift und anderen Utensilien entstanden ist, war unter dem Titel „Unterwegs mit Segelkahn und Leiterwagen – Leben am Schwielowsee vor 100 Jahren“ letzten Herbst in Potsdams Kunstschule zu sehen. Nun ist sie in erweiterter Form nach Ferch gewandert.
Im Versammlungsraum und im Parterre der Ortsverwaltung werden die Goslich-Adaptionen gezeigt, im Obergeschoss andere Bilder der Grundschüler, darunter gelungene Collagen zum Dorf Geltow nebst seiner Bildungsanstalt: „Coole Schule“ steht darunter, wie selten. Monika Olias und Susanne Ramolla mussten eigentlich gar nicht so viel tun, den Schülern gerieten die Werke fast wie von selbst. Kinder sind immer begabt, nur ändert sich das mit dem Größerwerden.
Die meist Drittklässler gingen so herrlich unbefangen und fröhlich daran, aus den eher langweiligen Schwarz-Weiß-Fotos der „großen Meisterin“ lebendige und lebensfrohe Neuschöpfungen zu machen. Da fährt eine Frau halt nicht Fahrrad, sie rast damit bergab. Aus dem dengelnden Bauern wird ein richtig gefährlicher Sensenmann, und das ziemlich verkrampft wirkende Hochzeitsbild der Goslichs mutiert zur schwarzhumorigen Karikatur.
Wie Original und „Zweitschrift“ sich zueinander verhalten, kann man an den beigefügten Original-Fotos gut erkennen. Das Leben ist eben bunter – und witziger, als alte Fotos es je wiedergeben könnten. Ob sich die junge Malergilde wohl über den Lohn ihrer Arbeit, Krystyna Kauffmanns Goslich-Buch „Poesie der Landstraße“, freuen wird? Anders als Erwachsene (Alexandra Weidmann inbegriffen) erfassen Kinder nicht zuerst den vermeintlichen Realismus eines Fotos, sondern seinen Sinn, den sie dann mit aller Menschenkinderfreiheit wiedergeben.
So wird ein geschmiedeter Zaun aus Eisenstangen zur Staketen-Barriere aus gefährlich spitzen Lanzen. Lässt sich seine Aufgabe trefflicher darstellen? Niemand kann halt besser abstrahieren als Kinder. Jeder aber sollte von ihnen lernen, auch ausgebildete Maler. Hut ab, ihr Kleinen, das habt ihr ganz groß gemacht! Na ja, ihr habt ja auch eine besonders „coole Schule“!
Mo, Di, Do von 9-12 Uhr, Di auch von 13 bis 18 Uhr, Ferch, Potsdamer Platz 9
Gerold Paul
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