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KulTOUR: Das Leben ist schön

... in Michendorf. Lesebühne feiert Premiere

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Michendorf - In den kleineren Dörfern kümmert sich meist die Feuerwehr um die Kultur, in größeren Ortschaften ist meist der Kulturbund mit diesem Portfeuille unterwegs. Wie oft etwa hat der Michendorfer schon zu kulturellem Tun gerufen, im „Apfelbaum“ bei interessanten Konzerten, bei der Talentsuche oder dem Aufbau jener „Kleinen Bühne im Volkshaus“, die sich wachsender Beliebtheit erfreut. Mögen diese Kultur-Träger in Michendorf nun auch nicht mehr so eng zusammenarbeiten, dem Publikum bleibt die Kleine Bühne als Podium natürlich erhalten.

Das gilt auch für Gastveranstaltungen des Kulturbundes Michendorf und seines benachbarten Bruders in Wilhelmshorst, am Wochenende gab es gleich zwei davon: Einmal wurde mit der Band Yazzoulotion in Sachen Christmas getanzt und geswingt, tags zuvor feierte die Lesebühne Wilhelmshorst hier Premiere. Geleitet wird sie von dem bekannten Schauspieler Christoph Quest, seit drei Jahren Bürger der Waldgemeinde.

Da für ihn Lesen und Spielen irgendwie identisch sind, machte er aus dem, was Schauspieler „Leseprobe“ nennen, eine Inszenierung: Fünf Damen und drei Herren sitzen auf der Bühne an Tischen in der Absicht, die Rollen einer dramatischen Textvorlage auf spielerische Art zu lesen, Regieanweisungen inklusive. Für seinen Erstling „Das Leben ist schön ... in Michendorf“ hat der Ensembleleiter Thornton Wilders Stück „Unsere kleine Stadt“ an die Gegebenheiten von Michendorf angepasst.

Alles beginnt mit einer liebevollen Beschreibung des Ortes um 1921. Der neue Bahnhof stellt die Anbindung an Berlin her, Schulkinder tragen Einheitskleidung, es gibt eine Zeitung, eine Post, aber nur wenige Autos – und der Nachwuchs hört noch auf Mutti und Vati. Hier nun trifft man auf die Familien Giersch und Herrmann. Kleinkariert, aber liebenswert, beschnackt man das Neueste aus der Gemeinde, klagt, weil der Kantor bei den Chorproben nie ganz nüchtern ist. Ihre Kinder, Ulrich und Christine, finden im jungen Alter zueinander. Man heiratet, wie es Brauch ist, doch währt ihr Glück nicht lange: Die junge Mutter verstirbt noch im ersten Kindbett.

So findet man einen Teil der Personage schon 1930 als früh Verblichene auf dem Langerwischer Friedhof neben den Kriegstoten wieder. Sie reden über ihr Leben, über Werte, die sie getragen haben, Christine bekommt sogar die Chance, noch einmal zu ihren Eltern zurückzukehren, aber da gefällt es ihr gar nicht mehr. Und während die Verstorbenen murmeln und raunen, senkt sich die Nacht über Michendorf – das Finale dieser ersten Lesung nach einem Jahr Probe. Beifall und Blumen.

Dies wird von den Mitwirkenden recht engagiert und hübsch über die Rampe gebracht, obwohl man manch einer Rolle so viel mehr an Reifung wünscht wie der Aufführung Tempo, Haltung, Leidenschaft und Schwung. Letztlich will Christoph Quest ja seine eigene „frohe Botschaft“ unter die Leute bringen: Wir wohnen alle auf einer „Mutter Erde“, das Leben sei schön, und alle hätten „das gleiche Schicksal“ im einmaligen Hiersein. Woher diese Philosophie stammt, ist nicht so schwer zu erraten – derzeit ist sie voller Kampfeslust im Aufbruch.Gerold Paul

Gerold Paul

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