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KulTOUR: Das schwarze Schaf

Musikalische Lesung mit Manfred Möck

Stand:

Werder (Havel) - Im fernen Land wurde ein schwarzes Schaf erschossen. Ein Jahrhundert später errichtete ihm die reumütige Herde eine Statue im Park – und so fortan immer, wenn man schwarzen Schafen den Prozess machte, „damit sich zukünftige Geschlechter von gewöhnlichen Schafen auch in der Bildhauerei üben konnten“. Pointiert, lakonisch, bissig schilderte der Guatemalteke Augusto Monterroso vor mehr als dreißig Jahren typische Lebenssituationen wie Fabeln und Legenden. Sein „schwarzes Schaf“ verlieh einem literarisch-musikalischen Zweiteiler sogar Titel und Ruf.

Die Gruppe „Havel-Künstler“ hatte dazu zwei Veranstaltungen organisiert, eine in Werders Gotteshaus auf der Insel, die andere am frühen Sonntagabend in der Schlüterkirche auf dem Petzower Grelleberg. Statuen gab es dort zwar nicht zu sehen, dafür eine seltsame Ausstellung mit Blumenbildern und Grafiken von Larissa Popova, die alle jenseits von Licht und Schatten zu wohnen scheinen: Ob Rosen, Iris oder Orchideen, außer drei Landschaftsaquarellen stehen alle in einem fahlen, verwaschenen Licht. Wer dergestalt malt, wird wohl ein Geheimnis in sich tragen.

Ob sie sich selbst wohl als schwarzes Schaf ihrer Zunft versteht? Ein Zusammenhang zum literarisch-musikalischen Konzept lag jedenfalls nahe, die Malerin gehört ja zu den „Havel-Künstlern“. Pointiert, lakonisch, bissig gab auch der Schauspieler Manfred Möck, jener, der in Lothar Warnekes Filmklassiker „Einer trage des anderen Last“ (1987) den evangelischen Vikar spielte, seine ausgewählten Texte dieses Themas kund.

Von dem bekannten Gitarristenvirtuosen Detlef Bunk aus Dresden anfangs sparsam begleitet, las er zuerst eine rührende Weihnachtserzählung des Brandenburgischen Dichters Wilhelm Kottenrodt, vor mindestens siebzig Jahren geschrieben. Sie ist in Sujet und Sprache recht märchenhaft. Darin behandelt ein Zimmermann die beiden Töchter Maria und Lisbeth nach dem Tod seiner Frau wie ein ganz böser Stiefvater. Erst die Christnacht und das Beinahe-Sterben der Älteren unter einem Heideginster wendet aller Geschick zum glückliche Ende. Möck schätzt diese Erzählung höher als die geheimnisumwölkte „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens.

Nachdem Detlef Bunk einige Perlen seines Repertoires vorgestellt hatte, folgte die zweite Lesung. Diesmal war es Heinrich Bölls „Monolog eines Kellners“, der abstrus-absurde Bericht eines Langgedienten, der nach 35 Dienstjahren am Weihnachtsabend fristlos gekündigt wurde – alles nur wegen einer Erbsensuppe nach Mutterns Rezept. Ein Bub nämlich wollte zuerst davon kosten, dann sollte der Alte mit ihm Murmeln spielen, was zur Folge hatte, dass dieser mit Hammer und Meißel ein Loch ins Parkett schlug, woran sich nun wieder die Mutter des Kindes ein Bein brach.

Wie schon zur Einweihung des Morgenstern-Zimmers in Werder, war der Schauspieler auch hier ganz in seinem Element, auch wenn man sich an seine etwas herbe Stimme erst gewöhnen musste. Es folgte weitere Kurzprosa von Monterroso mit schön-schwarzem Humor, etwa die einsätzige Erzählung von einem Urvieh: „Als er erwachte, war der Dinosaurier immer noch da“. Stringenter geht“s wirklich nicht mit dem Dichten.

Gitarren, Prosa, geheimnisvolle Bilder zur dunklen Stunde auf einer Höhe, prominente Namen, spannungsreiches Zuhören von über dreißig Gästen, schwarze und weiße Schafe – wie anders als angeregt hätte man den Ort verlassen sollen?

Ausstellung bis Januar, Wochenende

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