Potsdam-Mittelmark: „Das waren Zeiten“

Werder (Havel) - Es war ein tiefer Seufzer, der dem Besucher des Baumblütenfestes in Werder am Freitagabend über die Lippen glitt. Spätestens, als die Ostrock-Musiker von City zu ihrem letzten Titel ansetzten, hatten sie es geschafft: „Ach herjedas waren Zeiten“, hörte man von ihm und einigen anderen lebenserfahrenen Zuhörern. Zu den Geigenklängen des bekannten Titels „Am Fenster“ schwelgten nicht wenige Werderaner und Gäste des Blütenfestes in Jugenderinnerungen, die sich auch mit der Musik von City verbinden.

In blütenweißem Outfit präsentierten sich die fünf Musiker auf der Bühne an der Werderaner Regattastrecke und spielten an diesem Abend für ein Riesen-Publikum. Ein, zwei Schlückchen Obstwein, dazu ein paar City-Melodien und die Verjüngungskur wirkte. Während sich einige vor dem Absperrzaun zur Bühne quetschten, machten es sich andere abseits des Gedränges gemütlich und summten mit zufriedenem Gesichtsausdruck in der untergehenden Abendsonne vor sich hin. City hatte es leicht, die Blütenfestgäste für sich zu gewinnen.

Zum Erlebnis der besonderen Art sollte auch der Auftritt der Nachwuchsmusiker „Butterflies on Mars“ als Vorband werden. Erst vor einer Woche hatte das Handy von Bandsänger Dominic Merten geklingelt, und er erfuhr von dem großen Auftritt. Als eine von 42 Bands der Region hatten sich die Barnimer im Internet beim Konzert-Sponsor Eonedis beworben. „Heute stehen wir hier und es ist alles voller Menschen – das ist ein Traum“, sagte Sänger Merten aufgeregt. Bereits seit 14 Jahren gibt es die Schmetterlinge, wie sie übersetzt heißen. Von ihrer deutschsprachigen Rockmusik zu leben, so wie es City kann, das wäre toll, findet Bassist Stephan Haupt. Doch ihre Idole hinter der Bühne anzusprechen, trauten sich die Barnimer vor dem Konzert nicht.

Ganz anders die neue Baumblütenkönigin Astrid Milde. Ohne Scheu sprang die 18-Jährige als erste zu den fünf City-Musikern, als die am späten Nachmittag in Werder ankamen. „Für den heutigen Abend haben wir 36 Jahre lang geübt – da sollte alles klappen", erklärte City-Sänger Toni Krahl am Arm der Blütenkönigin. Bereits 1972 gründete sich die Band in Ost-Berlin. „In olympischen Maßstäben gemessen, sind wir mit zehn Millionen verkauften Kopien von ,Am Fenster'' die erfolgreichste Ost-Band“, erklärte City-Gründungsmitglied Fritz Puppel den Gästen im Eonedis-Bereich hinter der Bühne. Schon mehrmals tourte City gemeinsam mit dem Energieversorger zum Werderaner Baumblütenfest und findet zunehmend Gefallen daran. Entspannt genossen die Musiker die Atmosphäre der Havelstadt, gaben bereitwillig Autogramme, ließen sich mit Fans ablichten und nippten an dem einen oder anderen Glas Obstwein bis es ganz unaufgeregt auf die Bühne ging: „Kommt Jungs – wir müssen“, rief Puppel die Gruppe zusammen. Bis kurz vor 22 Uhr standen sie auf der Bühne und kümmerten sich geradezu liebevoll um ihre Fans: Bonbons und Luftballons wurden verteilt einige Musikwünsche erfüllt, und zum Abschied gab es die markanten Geigenklängen.Tobias Reichelt