DasWAR“S: Dem Weltmeister auf der Spur
Wie Peter Könnicke von Besessenheit gepackt wurde
Stand:
Unsere Redaktion ist krank. Wir liegen im Fußballfieber. Im Großraumbüro werden wir Zeuge, wie eine Kollegin mit Leidenschaft und Ehrgeiz versucht herauszubekommen, welche Fußballnationalmannschaft im nächsten Jahr in Potsdam übernachten wird.
Zum Wochenanfang hieß es: Brasilien geht nach Leverkusen. Manche mögen das bedauert haben, ich fand es gut. Denn es erhöhte die Spannung, wer es nun tatsächlich werden würde. Und so hörten wir mit halben Ohr weiter zu, bei wem unsere Kollegin gerade anfragte. Am Donnerstag legte sie am späten Nachmittag den Hörer auf und verkündete: „Wir kriegen die Ukraine!“ Es dauerte eine Weile, bis Freude aufkam. Erst als ich am Abend meinem Sohn erzählte, dass die Ukraine in Potsdam Quartier beziehen wird, wurde mir die Dimension bewusst: „Geil“, jubelte er, „Schewtschenko kommt.“ Andrej Schewtschenko ist einer der besten Stürmer der Welt, Kapitän der ukrainischen Nationalmannschaft und Spieler bei AC Mailand. Das steht in der „Bravo Sport“. Außerdem gucke er DSF, erklärte mir mein achtjähriger Stammhalter auf meine Frage, woher er das alles weiß.
DSF ist das Deutsche Sportfernsehen und inzwischen so etwas wie Bildungs-TV. Neulich wollte mein Sohn wissen, was eine Version ist. Ich habe es am Beispiel eines Fouls erklärt. Wenn Duisburgs Trainer Norbert Meier erklärt, der Kölner Spieler Albert Streit habe ihm einen Kopfstoß verpasst, ist das dessen Version. Wenn Streit behauptet, es sei umgekehrt gewesen, ist das eine andere Version. „Alles klar“, sagte mein Sohn. „Und was ist Exorzismus?“ Obwohl ich den Zusammenhang nicht verstand, überlegte ich nach einer entsprechenden Parallele aus dem DSF. Mir fiel keine ein.
Als ich vorgestern in einem ALDI-Markt war und sah, dass es dort kurz hinterm Gemüsestand auf dem Weg zum Wurstregal blaue und weiße Fußbälle, Kopfkissen mit dem Logo der Fußballweltmeisterschaft und WM-Kinder-Fleecedecken in diversen Farben gibt, hätte ich ihm zumindest erzählen können, was Besessenheit ist.
Am gestrigen Freitag nun fand unsere redaktionsinterne WM-Botschafterin heraus, dass sich noch eine europäische und eine afrikanische Mannschaft für ein Quartier in Potsdam interessieren. „Frankreich!“, rief jemand, und ein Kollege hauchte ehrfürchtig „Zidane“. Denn wurde Angola kolportiert, doch gleichzeitig stellte jemand fest: „Es schneit!“. Angola wird“s wohl eher nicht.
Schließlich meinte eine junge Kollegin, sie habe gehört, dass Dynamo Kiew als Geheimfavorit für den WM-Titel gilt. Wir brauchen einen Exorzisten.
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