Potsdam-Mittelmark: Den Friedensvertrag unterschrieben
An der Karl-Hagemeister-Grundschule lernen Schülermediatoren Streitigkeiten zu schlichten
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Werder - Genau vierzehn Unterschriften trägt das Regelwerk vom Oktober vergangenen Jahres. Auch Julia, Kirstin, Katharina und Dung haben unterschrieben. Es heißt da zum Beispiel: Keine Vorurteile haben, strikte Neutralität wahren, immer ausreden lassen, keine Schuld suchen, Lösungen anbieten ... Die Kinder, die sich da montags zur sechsten Stunde freiwillig treffen, wollen keine Gewalt an der Karl-Hagemeister-Grundschule in Werder. Sie wollen helfen, wenn es Konflikte gibt und lernen, mit Vorurteilen umzugehen.
Es gäbe Sozialpädagogen und eine Schulpsychologin gäbe es auch, aber Lehrerin Viola Meier findet es allemal gut, wenn Kinder selbst in die Offensive gehen und Verantwortung übernehmen. Sie habe sich im Internet über Schülermediatoren informiert, mit den Methoden des sächsischen Beauftragten Wolfgang Wildfeuer vertraut gemacht und in ihrer Schulleiterin Frau Wegener eine Mitstreiterin für ihre Idee gefunden. Im Herbst sei sie dann mit den Schülern an drei Tagen je sechs Stunden in Klausur gegangen, und die Kinder hätten in Rollenspielen gelernt, Konflikte darzustellen und auch, diese Konflikte verbal zu beschreiben.
Jetzt haben alle ein Zertifikat in der Tasche und stehen kurz vor ihrem Einsatz im schulischen Alltag. Sie müssen noch als Mediatoren bekannt werden, und alle Schüler müssten wissen, dass Mediatoren keine Sheriffs sind, die in Streit und Konflikte eingreifen. Streithähne könnten vielmehr jederzeit zu den Mediatoren kommen – in der Hauptpause oder nach dem Unterricht könnten dann beide Parteien ihre Sicht vortragen. In jedem Falle werde ein Lösungsangebot gemacht. Julia Höpfgarten spricht im Eifer gar von einem Friedensvertrag! Wichtig ist jedenfalls, dass beide Parteien das Schlichtungsangebot durch Unterschrift besiegeln.
Um alles noch einmal zu üben und Sicherheit zu trainieren, simulieren Katharina Krause und Kirstin Smurawa zwei streitende Freundinnen, die sich durch einen kleinen Anlass in handfeste Rangelei und heftige verletzende Wortgefechte verstrickt haben. Die beiden Schlichterinnen Julia Höpfgarten aus der 5a und Nguyen Thi Hoang Dung aus der 6b haben alle Mühe, beiden Kontrahentinnen gleichermaßen zuzuhören.
Besonders Katharina beschreibt gestenreich und voller Empörung, Kirstin gehe davon aus, dass sie ihr den Füller geklaut habe. Daraufhin habe ihr Kirstin ihren eigenen Füller weggenommen, den habe sie sich zurückgeholt, darauf habe sie eine Ohrfeige gekriegt. Und später wäre das immer so weitergegangen. Und seit einigen Wochen wäre zwischen den Freundinnen endgültig Funkstille. Wie sich auf gezielte Nachfragen herausstellt, war Kirstins Füller weder von Katharina geklaut, noch überhaupt weg – stattdessen gibt die kleinlaut zu, sich versehentlich auf ihren Füller gesetzt zu haben ohne es bemerkt zu haben. Aber da war die Ohrfeige schon gegeben und der Streit im Gange ...
Nachdem diese Tatsache ausgesprochen ist, kommt Kirstin aber noch einmal in Fahrt und trumpft auf, dass Katharina ja auch nicht hätte weiter stänkern müssen. Fast bekommen sich die beiden Mädchen wieder in die Haare. Julia hakt nach, dass doch beide bisher schon lange und gut befreundet seien und es ziemlich doof sei sich zu streiten, wenn es gar keinen Grund mehr gäbe. Katharina nimmt dieses Argument gern an, um sich für ihre Heftigkeit zu entschuldigen, Kirstin zieht nach und gibt zu, sich geirrt zu haben.
Julia und Dung bestehen auf Handschlag – der Friedensvertag würde später gemacht. Mit hochroten Gesichtern gehen die vier auf ihren Platz. Leicht war das nicht. Und doch war es nur eine gespielte Situation. Die Stunde ist um und alle sind vorerst zufrieden.
Lehrerin Viola Meier hat noch keinen Zeitplan, aber sie möchte, dass ihre Streitschlichter bald zum Zuge kommen. Sie denkt jetzt schon an Nachfolger aus den vierten Klassen, die dann auch bis zur sechsten an der Grundschule tätig sein könnten und vielleicht auch später an einer weiterführenden Schule. Wenn alles so klappt wie sie es sich vorstellt, „könne es mit dem Klima an der Schule immer besser werden“.
Magda Gressmann
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