zum Hauptinhalt

KulTOUR: Den Tod vor Augen

Makaberer Doppelpack in der „Comédie Soleil“ um des Menschen allerletztes Stündchen

Stand:

Werders „Comédie Soleil“ hat der Intendanzwechsel vor zwei Jahren offenbar nicht geschadet, im Gegenteil, es geht voran, oder bergauf. Man hört jetzt von gut besuchten Konzertgastspielen, von ausverkauften Kinderveranstaltungen, und dass man bei einer theatralischen Abendveranstaltung wie der vom letzten Sonnabend beinahe Kopf an Kopf saß, wann gab es das früher vor Ort, oder noch in Potsdams Feuerbachstraße? Wie immer auch, die Besinnung auf bewährte Theaterliteratur, auf das, was die „Comédie“ ja selbst im Namen trägt, auf ein ackerstädtebürgerliches Bedürfnis nach Unterhaltung und ein offenes Herz für die Kinder scheinen diesen „Zündeffekt“ in der Kulturstadt Werder ausgelöst zu haben. Wobei die Arbeit des Theatervereins solch gastfreundliche und erfolgreiche Abende überhaupt erst ermöglicht, denn alleine schaffen es die Mimen wirklich nicht.

Auch die Inszenierungen werden zunehmend besser. Nach dem Tschechowschen Einakter-Doppel „Der Heiratsantrag“ und „Der Bär“ letztes Jahr (demnächst in der Eisenbahnstraße 210 wieder zu sehen) landete das Ensemble im März mit einem zweiten Doppelpack ganz unterschiedlicher Qualität wieder einen Treffer. Das gut einstündige Programm verspricht einen „makabren Theaterabend“ mit den Autoren Friedrich Dürrenmatt und Woody Allen. Es geht um nichts Weniger als um des Menschen allerletztes Stündchen. Kongenial hat Jens Uwe Behrend ein Bühnenbild für beide Einakter erdacht, eine schräg aufsteigende Wand auf fast leerer Bühne. Hier trifft, in Dürrenmatts „Abendstunde im Spätherbst“, ein Hobby-Kriminalist auf den Schriftsteller Max, um ihm zu beweisen, dass seine nobelpreisgekrönten Kriminalromane mit ihm selbst zu tun haben müssten. Gerhard Gutberlet spielt den textreichen Part des biederen Pensionärs Hofer, Oliver Stadel den Autor Max. Der Dialog war von Dürrenmatt als Hörspiel gedacht, und so inszenierte auch Julian Tyrasa eher Dialoge als Aktionen. Dürrenmatts Botschaft: Auch ein guter Krimiautor kann ein guter Massenmörder sein! Die Inszenierung selbst läuft ganz redlich, könnte allerdings kräftiger und einfallsreicher sein. Besonders dort, wo der Autor sein Florett gegen den Leser richtet: Will der nicht die Sensation, das ganz große Verbrechen? Dass es zuletzt ein weiteres Todesopfer gibt, ist klar.

Woody Allan repliziert mit seinem Einakter „Der Tod klopft“ die mittelalterliche Tradition des „Totentanzes“, allerdings viel billiger. In seiner Version soll ein sichtlich abgearbeiteter „Hein“ den Modeschöpfer Nat (Oliver Stadel) ausgerechnet einen Tag vor dessen erster Modenschau ins Jenseits befördern. Und wieder lässt sich der schwarzweiße Gevatter auf einen Handel mit dem Todgeweihten ein, diesmal soll ein Tischtennis-Duell, wie billig, über Nats Lebensverlängerung entscheiden. Julian Tyrasa hat mit diesem kleinen Einakter zur Gaudi des Publikums eher kurzen Prozess gemacht. So bleiben die meisten Vorgänge unter seiner Regie nur äußerlich: Nat zeigt kaum die Not seiner Existenz, der tütelige Tod als „arme Sau“ nicht den Preis seiner Niederlage. Kein Klopfen, kein „Makabrischer Tanz“, das szenische Spiel bleibt auf den sportiven Teil beschränkt, das Finale blass, ohne Aussagekraft. Trotzdem sollte man die makabre Einladung der „Comédie“ nicht ausschlagen, denn Dürrenmatts Substanz und Allens Humor zusammen bringen es! Und außerdem: Wer wollte denn sein letztes Stündlein schon verpassen? Gerold Paul

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })