Potsdam-Mittelmark: Den Überblick gewonnen
Der Carlsturm in Geltow wurde gestern zur Informations- und Aussichtsplattform
Stand:
Schwielowsee·Geltow - „Eine Ampel könnte man hier schon gebrauchen", meinte ein älterer Herr augenzwinkernd, angesichts der Besucherströme, die sich gestern die schmale Wendeltreppe hinauf zur Spitze des Carlsturms in Geltow drängten. Der war erstmals zum Tag des offenen Denkmals geöffnet, aber auf solchen Andrang ist der 1869 auf dem Heineberg errichtete neogotische Turmbau eigentlich nicht vorbereitet.
Gerade mal Platz für zwei Personen bietet der Absatz unter der Turmspitze, die man über etwa 90 Stufen einer Wendeltreppe erreicht. Aber der Panoramablick entschädigte alle fürs Warten, denn man sah vom grünen Dach der Petzower Kirche bis hinüber zu den Glindower Alpen, zwischen denen der Glindower See glitzerte. Sogar die Einflugschneise Phöben mit Radaranlage war gut sichtbar und auf der Havel ließ die Sonne winzige Blitze zucken, durch die hin und wieder Boote pflügten, deren Schrauben dünne Gichtspuren hinterließen. „Schade, dass die Gemeinde den Aussichtsturm nicht gekauft hat“, bedauerte ein Neu-Geltower, der die Gelegenheit nutzte, sich einen Überblick zu verschaffen. Vom Mieter des unteren Geschosses, aus dem der achteckige Turm herauszuwachsen scheint, erfuhr er, dass dieser hin und wieder am Wochenende ein paar Neugierige zum Turm hinauf lasse. Der Eigentümer selbst nutze das holzverschalte Geschoss über der Mietwohnung als Feriendomizil. Das hatte einst die Staatssicherheit auf die Aussichtssterrasse gesetzt. Doch anders als bisher vermutet wurde, habe es es dort keine Abhöranlage gegeben, weiß der neue Mieter. „Das hätte bei so viel Wald ringsum gar nicht funktioniert mit dem Abhören.“ Stattdessen sei im Turm eine Relaisstation eines drahtlosen Telefonnetzes gewesen. Ein solches Netz sei schon in den 50er Jahren aufgebaut worden, weil die Staatssicherheit nach dem 17 .Juni 1953 nicht mehr vom normalen Telefonnetz abhängig sein wollte.
Nachdem Anfang 1970 eine Potsdamer Station aufgegeben wurde, schien der Carlsturm auf dem Heineberg ein geeigneter Ersatz zu sein. Im Carlssturm befand sich zu dieser Zeit bis Anfang der 90ger Jahre eine Wohnung. Davor wurde er als Kinderhort genutzt. Den Turm entwarf einst Prinz Carl, ein Bruder Friedrich Wilhelm IV., nachdem der Baumwuchs ringsum zunehmend den Ausblick auf die Umgebung verhinderte. Mit den ersten Baumpflanzungen auf dem Heineberg hatte einst Gartenbaudirektor Peter Joseph Lenné im Herbst 1832 begonnen. Denn zu seinem „Verschönerungsplan der Umgebung von Potsdam“ gehörte auch der 72 Meter hohe Berg.
Ab 2003 wurde der Turm in Abstimmung mit der Denkmalpflege vom heutigen Besitzer Florian Amon aufwändig saniert. Mit historischem Fugenmörtel wurde die Ziegelfassade erneuert, die vereinzelt aus bis zu 60 Zentimeter starken Mauerwerkswänden besteht. Verwendet wurden damals Hartbrandziegel aus der Glindower Ziegelei, die teilweise recht unregelmäßig im alten Reichsformat geformt und größer als die heute üblichen Steine waren. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: