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Riskant. Mehrere Bewohner sind mit dem Lift schon stecken geblieben.

©  A. Klaer

Senioren-Wohnanlage in Caputh: Der Aufzug als Barriere

In einer eigentlich barrierefreien Senioren-Wohnanlage in Caputh gibt es immer wieder Ärger mit dem Lift. Viele Bewohner dort sind gehbehindert - und fühlen sich mit der Situation allein gelassen.

Stand:

Caputh - Evelyn Erben hat den Fahrstuhl in ihrer Wohnanlage schon lange nicht mehr genutzt – dabei ist sie auf einen Gehwagen und somit auch auf den Lift angewiesen. Allerdings war der Aufzug fünf Wochen lang außer Betrieb. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum die 82 Jahre alte Seniorin lieber das beschwerliche Treppensteigen in Kauf nimmt: Seit sie mit einer guten Bekannten mehrere Stunden lang im Fahrstuhl eingesperrt war, meidet sie ihn aus Angst.

Evelyn Erben bewohnt eine eigentlich barrierefreie Mietwohnung in der Seestraße in Caputh. Die modernen Wohnanlagen werden vom Gesundheitszentrum Teltow betrieben, das in der gleichen Straße auch ein Seniorenwohnheim betreut.

Seit 2007 wohnt Evelyn Erben hier. Eigentlich fühlt sie sich wohl, ihre beiden Katzen Möhrchen und Bärchen dürfen durch den Flur streifen, mit vielen Nachbarn sind echte Freundschaften entstanden. Doch die vergangenen elf Monate waren immer wieder durch Ärger mit dem Aufzug gekennzeichnet. Besonders einprägsam war für sie eben jener Tag, an dem sie mit ihrer Bekannten mit schweren Tüten vom Einkauf zurückkam und dann im Aufzug stecken blieb – denn ihre Freundin hat Platzangst. Als der Fahrstuhl plötzlich nicht mehr weiterfuhr, löste dies bei der Freundin entsprechend Panik aus und sie schrie und hämmerte gegen die Fahrstuhlwände, erzählt Evelyn Erben. Sie habe derweil den Notrufknopf gedrückt. „Aber wissen Sie, wenn man so aufgeregt ist, versteht man nicht, was die sagen – zumal die Verbindung sehr schlecht war.“ Die beiden hatten Glück – das Hämmern alarmierte eine zufällig vorbeikommende Nachbarin, die wiederum Pflegern im angrenzenden Heim Bescheid gab.

Rollstuhlfahrerin gefangen in ihrer Wohnung

In den vergangenen fünf Wochen, in denen Evelyn Erben den Aufzug nicht nutzen konnte, stand ihr vor allem Reinhard Schierenberg zur Seite. Der 61 Jahre alte Caputher wohnt zwei Türen weiter. Aufgrund eines Hüftleidens bezieht er eine Erwerbsminderungsrente und hat sich vor drei Jahren eine Wohnung in dem Haus genommen. Er ist noch relativ fit, wie er selbst sagt, und hat keine Probleme beim Treppensteigen. Für die Zeit des Ausfalls brachte er etwa Mülltüten von Evelyn Erben in den Hof. Aber anderen Bewohnern konnte selbst Reinhard Schierenberg nicht helfen: Eine Nachbarin auf der gleichen Ebene sitzt im Rollstuhl, sie war sozusagen gefangen in der eigenen Wohnung. „Ihre Tochter kam jeden zweiten Tag mit Lebensmitteln vorbei“, erzählt Evelyn Erben.

Als der Aufzug noch lief, hat auch Reinhard Schierenberg schlechte Erfahrungen gemacht. Vor einigen Wochen ist auch er im Fahrstuhl stecken geblieben. Als dieser plötzlich nicht mehr weiterfuhr, habe er zuerst den Notfallknopf gedrückt. Ein Service-Mitarbeiter versicherte ihm, dass jemand zur Hilfe kommen würde. Als jedoch lange Zeit nichts geschah, zückte er sein Handy und rief bei der Polizei an. Diese verwies ihn wiederum an die Feuerwehr, die ihn nach gut zwei Stunden aus seinem metallenen Gefängnis befreien konnte. „Als die dann schon ne ganze Weile hier waren, kamen die Techniker“, erzählt Schierenberg. „Es war Glück, dass ich mein Handy dabeihatte.“

Der Lift hält nicht ebenerdig - und die Bewohner stolpern und stürzen

Das unerwartete Stehenbleiben des Lifts ist nicht das einzige Problem: Oftmals hält der Fahrstuhl eine Handbreit weiter unten – wer dann einen Rollator dabei hat, muss dennoch eine Stufe steigen. Ausgerechnet Evelyn Erbens Bekannte hatte die Unebenheit vor einigen Wochen zu spät bemerkt und war gestürzt. „Sie klagte noch wochenlang über Schmerzen“, sagt Erben. Auch eine Krankenpflegerin, die auf dem Weg zu Reinhard Schierenberg war, kam durch den unebenen Ausgang schon mächtig ins Straucheln, verletzte sich aber zum Glück nicht. Die Bewohner der Anlage fühlen sich allein gelassen. Im Oktober jährt sich der Beginn der Aufzug-Komplikationen. Schon mehrmals haben die Senioren Schreiben mit der Bitte um Unterstützung an die Zuständigen in Teltow aufgesetzt. Entweder die Caputher wurden vertröstet – oder es kam gar keine Antwort. Evelyn Erben seufzt. „Es ist, als wenn man gegen eine Wand redet. Man hat das Gefühl, man wird gar nicht wahrgenommen – als ob sie denken: Die Alten spinnen ja.“

Alexander Schulz, der im Evangelischen Diakonissenhaus für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, sagte den PNN, dass ein entsprechender Reparaturauftrag direkt nach Bekanntwerden des Problems gestellt wurde. Die Wartungsfirma wiederum konnte zunächst den Fehler nicht finden, dann musste ein Ersatzteil bestellt werden.

Warum all dies gut fünf Wochen in Anspruch nahm, wird nun zu klären sein. Eine entsprechende Anfrage wurde bereits in die Wege geleitet. Bisher hat jedoch keiner der Mieter eine Minderung beantragt. „Sollte dies geschehen, werden die Ansprüche sofort geprüft“, sagt Schulz. Es spreche „schon viel dafür“, dass ein solcher Antrag auch genehmigt werde.

Der Lift funtkioniert wieder, aber nicht einwandfrei

Seit Donnerstag vergangener Woche läuft der Aufzug wieder – wenn auch nicht einwandfrei. Er bleibt zunächst wieder ein Stück vor dem Flurboden stehen, ruckelt dann kurz und fährt weiter. Evelyn Erben will weiterhin auf den Gehwagen verzichten und Treppen steigen. „Ich muss ehrlich sagen, ich trau dem nicht“, sagt sie.

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Von Barrierefreiheit in der Wohnanlage kann keine Rede sein. Der Vermieter müsste nun auf die Bewohner zugehen. Ein Kommentar >>

Anne-Kathrin Fischer

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