KulTOUR: Der Bauer auf dem Stier
Kunst aus Burg Giebichenstein in der Töplitzer Landart-Galerie
Stand:
Werder (Havel) - Dass Kunst von Können kommt, kann man eigentlich gar nicht oft genug sagen. Die traditionsreiche Burg Giebichenstein vermittelt solche Wege zur echter Könnerschaft vom Handwerklichen her seit Langem. Kein Wunder also, wenn die Töplitzer Landart-Galerie immer wieder auf Giebichs Jünger zurückgreift, fast immer mit Erfolg. So auch bei der ultimativ letzten Ausstellung dieser Saison. Nach einem Konzert mit Bettina Hartl (Bandoneon, Gesang) und Romy Nagy (Cello, Gesang) ist die Galerie ab diesem Wochenende wieder mal ein schmuckes Schaufenster der Saaleburg.
Schön, dass man hier sehr konstant der mehr oder weniger angewandten Bereiche der ungreifbaren Künste gedenkt. Zu einem Forum junger Giebich-Absolventen hat sich die Galerie in den knapp zwanzig Jahren ihres Daseins eh gemausert, da gab es immer etwas zum Lernen, zum Mitnehmen. So auch dieses Mal.
Alexander Schellbach hat sich auf so etwas Rares wie Industriezeichnungen spezialisiert. Aber seine Kohlezeichnungen alter Werkhallen sind nur scheinbar naturalistisch. Er gibt offen zu, die ursprünglichen Bildinhalte ein wenig zu manipulieren, zum Beispiel indem er einer heruntergekommenen Riesenhalle irgendwo im Osten, wo es solche Relikte mehr noch gibt, etwas Fremdes beimischt, ein unitäres Gerät mit Zahnrädern und Laufketten zum Beispiel, welches weder dort stand noch überhaupt so existiert. Verfremdung nannte man so etwas früher. Sie gibt Schellbachs kunstvollen Zeichnungen, von ihrem Charme ganz abgesehen, genügend Eigenes und Tiefe. Er schreckt nicht einmal davor zurück, Maschinen, Motoren und anderes Gerät fast originalgetreu, doch leicht verfremdet, in und als Keramik zu formen.
Auch die Giebichensteinerin Julia Rückert aus München geht ungewöhnlich an die Wirklichkeit heran. So holt sie sich ihr Bildmaterial zu einem Thema, Mensch und Tier beispielsweise oder Jagdtrophäen, aus dem Internet, entwickelt die Motive weiter, baut Gipsformen, um daraus letztendlich keramische Wandreliefs zu machen. Erlegter Hirsch mit zwei hoch zufriedenen Jägern, oder eine Sechserserie von Fischern, die den Hecht gefangen haben; noch lebt das Tier, es windet sich, man siehts.
Leitmotivische Farben sind Varianten von Weiß und Kobaltblau, nach Art der Renaissance gedacht. Hier findet man auch das originelle Rundrelief eines zufriedenen Bauers, der auf seiner Kuh sitzt, wie Europa auf dem Stier, aber das ist eine andere Geschichte.
Nicht zuletzt Hannes Uhlenhaut mit seiner selten gewordenen Kunst, in Porzellan zu arbeiten. Auf den ersten Blick erinnern seine Arbeiten an Kleinplastiken aus dem Barock. Sieht man genauer hin, so sieht man, wie er mit seinen Themen spielt, bei der mystischen Hochzeit von Peirithoos bei den Lapithen zum Beispiel, einem blutigen Kapitel aus der griechischen Theseus-Sage.
Am Barock liebt Uhlenhaut das Spielerische, das Inszenierte, und spielt und inszeniert seine Kleinplastiken, bis einem Pferd der Kopf verdreht ist und ein Haifischmaul auf dessen Brust erscheint. Was für ein Wusel! Außen aber ist alles fein Porzellan: „Meine Sicht auf Reiterstandbilder!“ ist gekonnt.
So bietet die Töplitzer Landart-Galerie eine sehenswerte Ausstellung, eine mehr als dankenswerte Erinnerung an die Vielfalt – und vor allem an die Seriosität der angewandten Künste. Gerold Paul
Zur Vernissage wird am heutigen Samstag um 16 Uhr eingeladen. Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 22. September samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr; montags bis freitags von 16 bis 18 Uhr
Gerold Paul
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