Potsdam-Mittelmark: Der „digitale“ Ortschronist
Am Samstag bekam Hans-Joachim Strich das Bundesverdienstkreuz verliehen
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Michendorf - Hans-Joachim Strich war fassungslos als seine Vereinsfreunde ihm mitteilten, er sei zur nächsten Vorstandssitzung nicht eingeladen. Immerhin gilt der 82-Jährige als Gründungsvater des Michendorfer Heimatvereines, dessen Ehrenvorsitzender er seit drei Jahren ist. „Wir sind da an einem Projekt, das wir auch allein schaffen“, hörte er abermals, als er ein zweites Mal nicht dabei sein sollte. Da ahnte er längst, dass sie sich eine Überraschung für ihn ausgedacht hatten. „Allerdings hab ich nicht damit gerechnet, dass es ein Orden wird“, bekannte Michendorfs Ortschronist als er am Samstag von Landrat Lothar Koch den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen bekam.
Gewürdigt wurde vor allem, dass Hans-Joachim Strich die Verbundenheit der Bürger mit der Region gefördert habe. Ihm sei auch zu verdanken, dass der Heimatverein eine kulturelle Institution des Ortes geworden sei, heißt es in der Begründung zur Auszeichnung. Der Festakt fand im Gemeindezentrum „Zum Apfelbaum“ statt und mehr als 50 Gäste kamen, auch Bürgermeisterin Cornelia Jung gehörte zu den Gratulanten. Sie hatte Hans-Joachim Strich zwei Monate zuvor dringlichst gebeten: „Bleiben Sie bitte gesund". Er hielt Wort und das sei das Bemerkenswerte an ihm, dass er Zusagen stets einhalte, betonte Jung. So hatte sie jüngst angefragt, ob er für die neue Homepage der Gemeinde ein paar Fotos beisteuern könne. Kurz darauf übergab er ihr eine CD, die er selbst gebrannt hatte. Denn gut vertraut mit Computer, Internet und Digitalkamera ist Hans-Joachim Strich auch so etwas wie ein digitaler Ortschronist.
Vor rund zehn Jahren begann sich der ehemalige Lehrer für die neuen Medien zu interessieren, nachdem er erkannt hatte, welche Möglichkeiten elektronische Archive bieten. Seitdem verbringt er täglich mindestens drei Stunden am Computer. „Er kennt sich aus“, bestätigt Vereinsmitglied Günter Schönfelder, der oft stundenlang mit ihm fachsimpelt. Wie man mit einem PC umgeht, lernte auch die Enkelin von ihm und mehrere Vereinsmitglieder hat er gleichfalls mit seiner Computerleidenschaft angesteckt. Einige sind ehemalige Schüler, die nun erneut von ihrem Lehrer lernen, dem sie bis heute respektvolle Verehrung entgegenbringen. Als er sie 1991 für den Verein warb, waren sie sofort begeistert, zugleich aber verunsichert, weil sie nicht wussten, wie sie ihn ansprechen sollten. „Ich bin der Hans!“, löste er kurz darauf das Problem.
In der Erinnerung seiner Schüler war er ein gerechter, strenger und beliebter Lehrer. Der damals 22-jährige Neulehrer, der nach dem Kriege nach Michendorf kam, konnte packend vermitteln und hatte schnell einen guten Draht zu seinen Schülern. Einmal erwischte er einige von ihnen, wie sie mit Munitionsfundstücken spielten. Sonst immer besonnen, schrie er : „Der Krieg ist gerade vorbei, aber ihr übt schon für den nächsten“. Das hat sie beeindruckt und wenn er seine Erlebnisse als Panzersoldat schilderte, wurde ihnen klar wie sinnlos Kriege sind. Strich schaffte es, dass durch den Krieg zerstörte Vertrauen der Jungen und Mädchen wieder aufzurichten und als er in den 50er Jahren in höhere Funktionen berufen wurde, bedauerten das viele. Er wurde Schulrat, Leiter des Pädagogischen Bezirkskabinettes und absolvierte nebenbei Fernstudium und Promotion. Doch dem Ort fühlte er sich immer verbunden und als er Ende der 80er Jahre in Rente ging war ihm klar: „Du musst etwas tun statt wie andere nur vorm Fernseher zu sitzen“. Geistig fit bleiben wollte er und räumt ein, dass auch Disziplin dazu gehöre: „Ich zwinge mich da oft selber“.
So hat er bereits zahlreiche Publikationen geschrieben und die „Michendorfer Ortschronik“, deren 102. Fortsetzung jüngst im „Märkischen Bogen“ erschien, ist längst zum Publikumsrenner geworden, wie ihm Herausgeberin Marianne Herrmann bescheinigt. Auch die Zahl von derzeit 123 Mitgliedern im Heimatverein belegt, dass Hans-Joachim Strich mehr als nur seine Chronistenpflicht erfüllt, sondern einer ist, der den Ort beseelt. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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