Potsdam-Mittelmark: Der erste Tropfen nach langem Winter
Ein kleines Lokal setzt Impulse: Die Weinschmiede Fresdorf hatte mit neuem Betreiber am Freitag Premiere
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Michendorf . Fresdorf - So hätte es in Fresdorf auch vor zweihundert Jahren aussehen können: Ein winziges Häuschen am Wegesrand, das Wanderern eine Pause verspricht. Sich aufwärmen, einen belebenden Wein trinken und einen Bissen essen. Im Innenraum prasselt das Kaminfeuer – wohlige Wärme. Wände bestehen aus Feld- und Ziegelsteinen, die kleinen Fenster lassen nur wenig Tageslicht hinein. Um den schweren Tisch hat sich eine fröhliche Runde versammelt, es wird geredet und gelacht. Während weitere Gäste einkehren und von der Gesellschaft mit „Hallo, auch wieder hier?“ begrüßt werden, dampfen in der Gusseisenpfanne die Spätzle. Der Wirt eilt herbei, um die Bestellung aufzunehmen.
Vor zweihundert Jahren war das Kamin- aber noch ein Schmiedefeuer, wo heute Gäste Wein trinken, wurden früher Pferde beschlagen. Schweiß treibende Arbeit statt Gemütlichkeit. Im Namen Weinschmiede verbinden sich „früher“ und „heute“. Manfred Reidt ist seit Dezember der neue Inhaber des Kleinods an der Luckenwalder Straße. Seit acht Jahren wohnt der ehemalige Berliner mit seiner Frau im Nachbarort Wildenbruch. „Dort hatte mir gefehlt, dass man abends ausgehen und mal einen Wein trinken kann.“ Irgendwann sei er mit dem Fahrrad an der Weinschmiede vorbeigeradelt. Er kehrte ein und war sofort hingerissen.
Wie Reidt vom Gast zum Wirt wurde? Der 64-Jährige hatte in seinem Leben schon viele Lokale betrieben, darunter große Gaststätten in Berlin. Die erste führte er schon 1968, parallel zum Volkswirtschaftsstudium. In Wildenbruch wollte er sich eigentlich zur Ruhe setzen, „aber das wurde mir langweilig“. Drei Jahre lang habe er bei dem Vorbesitzer Dietmar Kiele um die Nachfolge geworben, bis der mittlerweile 70-Jährige schließlich im vergangenen Jahr einwilligte. Kiele hatte die verfallene Schmiede am Dorfanger gleich nach der Wende gekauft, denkmalgerecht ausgebaut und mit dem Konzept vom Schoppen Wein in urgemütlicher Atmosphäre viele Anhänger gefunden. Vorwiegend Gäste aus Berlin kamen regelmäßig nach Fresdorf.
Manfred Reidt weiß, dass er in große Fußstapfen tritt, „aber das ist immer so, wenn ein Lokal an einer Person festgemacht wird“. Kiele hatte mit den Gästen gefeiert, in besonders gemütlichen Stunden den Leierkasten angekurbelt, Liedtexte verteilt und mit ihnen gesungen. Er blieb zwar in Berlin wohnen, hatte aber, wenn es sehr spät wurde, sein Lager unter dem Dach der Schmiede aufgeschlagen.
Am Freitag stand nun die Bewährungsprobe an: Nach Umbauarbeiten öffnete Reidt sein Lokal für die Stammgäste. Sehnsüchtig hätten sie bereits diesen Termin erwartet, viele hatten schon angerufen. „Wir haben nur soviel verändert, dass es die Leute noch wieder erkennen“, sagt der Wirt. Statt der früheren zwölf Plätze im Innenraum gibt es nun 18. Die Weinkarte zieren nach wie vor erlesene Tropfen aus der Pfalz – vom Winzer und nicht aus dem Großhandel. Dazu können sich die Gäste kleine Mahlzeiten wie Flammkuchen, Käsesuppe oder Laugenbrezeln reichen lassen. Die Zutaten kommen zumeist von Bauer Wegener, dessen Hof sich auf der gegenüberliegenden Seite des Dorfangers befindet, die Frische ist also garantiert.
Einen Veränderungswunsch hat Reidt aber doch noch: Er würde gern die Menschen aus der unmittelbaren Umgebung für sein Lokal gewinnen. Deshalb soll in der warmen Jahreszeit auch unter der Woche und nicht wie bislang nur freitags bis sonntags geöffnet sein. Ein Kulturprogramm hat Reidt auch schon vor Augen, „vielleicht wird hier mal eine Jazz-Band auftreten“.
Die Gäste haben mittlerweile ihr erstes Glas nach dem langen harten Winter geleert. Elke und Siegfried Mertel aus Berlin sind langjährige Stammkunden, einmal pro Woche steht Fresdorf auf ihrem Programm. „Die Weinschmiede hatte damals bei uns eingeschlagen wie eine Bombe. Die Originalität hat uns begeistert“, erinnert sich Siegfried Mertel an den ersten Besuch. Viel habe sich glücklicherweise nicht verändert und auch in Zukunft werden sie regelmäßig herkommen. Die Fresdorfer Heide zählen sie zu den schönsten Ecken im Süden der Hauptstadt.
Ihre Freunde, die Nowaks, halten es ähnlich. Dieter Nowak ist Weinhändler, und allein seine Anwesenheit dürfte zeigen, dass der Wein hier gut ist. Seine Frau berichtet lachend: „Wegen der Weinschmiede haben wir uns ein Haus im Nachbarort gekauft. So müssen wir abends nicht mehr bis nach Berlin zurückfahren.“ Ein kleines Lokal setzt Impulse für die Baubranche – das hatte es vor zweihundert Jahren so noch nicht gegeben.
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