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Bisschen leise. Balduin Hirche und Thomas Stolzenberg von Krüger+Till vor der Inselstadt.

© hkx

Ohne Führerschein auf die Havel: Der Flautenschieber hat ausgedient

Die neue Führerscheinfreiheit für stärkere Motorboote kommt in der Wassersportbranche gut an. Die Wasserschutzpolizei hat noch keine schlechten Erfahrungen damit gemacht.

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Werder (Havel) - Balduin Hirche und Thomas Stolzenberg haben einen Ferienjob bei Krüger & Till in Werder. Der Verdienst ist ganz ordentlich und wenn nicht gerade die schweren Kajaks ins Wasser gehievt werden müssen, macht es Spaß beim Bootsverleih vor Werders Insel. Besonders nach Feierabend, wenn die beiden 16-Jährigen noch mit einem der Leihboote ein Ründchen drehen dürfen. Mit ordentlichen Motoren, denn die Führerscheinfreiheit gilt seit dieser Saison bis fünfzehn PS. Die Boote dürfen damit dreimal so stark motorisiert sein wie bisher.

Ihr Chef Guido Krüger hat den Jahreswechsel genutzt, um fast seine gesamte Leihbootflotte umzurüsten, wenn auch nicht auf das Maximum. Die acht Motorboote haben jetzt acht oder zehn PS. Auch die drei kleinen Kajütboote hat er auf zehn PS starke Yamaha-Viertakter aufgerüstet. Und die beiden neuen Tom-Sawyer-Flöße haben auch gleich Acht-PS-Motoren bekommen. Zwei große Partyboote für acht Leute hat er mit kleineren Motoren ausgestattet, damit sie führerscheinfrei werden. „Wir haben jetzt nur noch drei Boote, für die man einen Führerschein benötigt“, sagt Krüger.

Krüger schöpft die Neuregelung zwar nicht aus, „sonst wäre das pro Motor noch mal 1500 Euro teurer“. Dennoch sind die Kunden jetzt drei bis vier Stundenkilometer schneller unterwegs. „Das ist kaum spürbar“, meint der Bootsverleiher, der auch ein Bootsgeschäft in Werders City betreibt. Wichtiger als das höhere Tempo sei das Plus an Sicherheit beim Manövrieren, meint Krüger. Außerdem seien stärkere Motoren, gerade wenn sie etwas gedrosselt werden, haltbarer. Von den Kunden werde vor allem die Laufruhe begrüßt.

Von seinen Saisonmitarbeitern Balduin und Thomas freilich nicht, „das ist der einzige Nachteil“, erklärt Balduin mit ernster Miene. „Ansonsten macht es viel mehr Spaß“, ergänzt Thomas, der schon mal vor der neuen Regelung bei dem Bootsverleih gearbeitet hat, bei einer Testfahrt, bei der er ein kleines Kajütboot routiniert über Werders Havel bewegt. Besonders bei den kleinen Booten spüre man, dass sie schneller geworden sind. Bei den größeren sei es einfacher geworden, bei Wind anzulegen. Dass Boot fahren für alle sicherer geworden ist, glaubt er nicht. „Es hängt auch davon ab, wie gut die Leute bei der Einweisung zuhören.“

Viele Bootsverleiher begrüßen die neue Regelung, weiß Max Hiller, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Wassersport e.V.. Es sei zwar zu früh, um von einem Aufwärtstrend in der Branche zu sprechen. „Wir verzeichnen aber deutliche Impulse“, so Hiller. Die fünf PS hätten allenfalls als „Flautenschieber“ gereicht. „Das war noch dazu sehr laut.“ Jetzt könnten sogar holländische Sloepen führerscheinfrei gefahren werden.

Gerade Brandenburg mit seinen vielen Floßverleihern würde profitieren. „Mit fünf PS waren diese Boote untermotorisiert und ein Sicherheitsrisiko bei starkem Wind oder in Schleusen.“ Jetzt könnten sie vernünftig motorisiert werden, das müsse nicht gleich fünfzehn PS heißen. Bei den Verleihern sei zu beobachten, dass sie die neue Regelung meist nicht ausreizen. „Sie belassen es bei neun bis zwölf PS.“ Das reiche für die meisten Leihboote völlig aus und sei in der Anschaffung nicht so teuer. Mit den leiseren Viertaktern tue man etwas für den Lärmschutz und die Umwelt, auch wenn sie etwas mehr verbrauchen.

„Mit solchen Motoren lässt sich ein Boot für vier Personen vernünftig auf dem Wasser bewegen“, so Hiller. Besonders Familien fühlten sich davon angesprochen. Davon, dass Jugendliche jetzt mit 30 km/h schnellen Gmmibooten und einem riesigen Motor über die Havel heizen, sei nichts zu spüren. Theoretisch sei das möglich. „Die Befürchtung hat sich aber nicht bestätigt“, meint Hiller. Um ein normales Boot, zum Beispiel zum Wasserskifahren, ordentlich auf Touren zu bekommen, benötige man ohnehin über 50 PS.

Zurückhaltender geht Andreas Bothe von Bothe-Wassersport in Caputh mit der neuen Führerscheinfreiheit um. Von seinen drei Flößen hat er eins aufgerüstet – und räumt ein, dass man damit bei voller Besatzung komfortabler unterwegs ist. Allerdings benötige es deutlich mehr Sprit. Wegen der Anschaffungskosten hat er für seine anderen führerscheinfreien Boote aber von der Aufrüstung abgesehen. „Wir reden ja über eine dreijährige Erprobungsphase. Wer weiß, was der Bundesgesetzgeber danach macht“, argumentiert er. Auf den Bundeswasserstraßen der Region dürfe man – mit Ausnahme des Templiner Sees, des Schwielowsees und des Zernsees – ohnehin nicht schneller als zwölf km/h fahren, und selbst die nur bei 100 Metern Uferabstand. „Und das schaffen die meisten Boote schon mit fünf PS.“

Die Polizeidirektion West hat bislang keinen Anstieg an Verkehrsdelikten oder Unfällen durch die neue Regelung feststellen können, sagt Sprecher Christoph Koppe. Im ersten Halbjahr wurden von 324 Ordnungswidrigkeiten auf dem Wasser 39 mit führerscheinfreien Booten begangen, von 19 Unfällen waren es 3. Die Statistik der Wasserschutzpolizei sei allerdings nur bedingt aussagefähig, bislang wurde die Motorleistung von Booten nicht erhoben.

Das Ziel des Bundesverkehrsministeriums, mit der neuen Regelung mehr Jugendliche für den Wassersport zu begeistern, scheint zumindest bei Krüger & Till in Werder erreicht: Der 16-jährige Thomas Stolzenberg will jetzt seinen Bootsführerschein machen.

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