Potsdam-Mittelmark: Der Gaul macht“s gern
Treidelpferd im Einsatz: Wallach „Blitz“ zieht Fahrgastschiffe über den Finowkanal
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Treidelpferd im Einsatz: Wallach „Blitz“ zieht Fahrgastschiffe über den Finowkanal Von Mareike Meister „Der arme Gaul“, sagen die Passagiere. „Der freut sich“, erwidert Heinz Geisdorf, der Kapitän des Fahrgastschiffes „Anneliese“, das von Eberswalde den Finowkanal hinunter schippert. Neumann muss die Gäste auf dem Schiff besänftigen, als seine Gehilfen den Kahn mit dem Pferd am Ufer vertäuen. Drei Kilometer der Strecke - das ist schließlich das Besondere an der Fahrt - bewegt sich die „Anneliese“ ohne Motor, sondern mit nur einer Pferdestärke. Frank Neumann ist nach eigenen Angaben der einzige Fahrgastschiffer auf einer Bundeswasserstraße, der noch treidelt. Seit 1998 tut er das. Jetzt, vor Ostern startet er wieder in die Saison. Mit einem ehemaligen Frachter, einem so genannten Finow-Maßkahn. Ein Metallschiff, das vor rund 100 Jahren extra so gebaut worden ist, dass sich zwei Schiffe auf dem engen Kanal aneinander vorbei quetschen können. Die Neumanns haben das Boot, auf dem früher Kohle, Sand oder Kies quer durchs Land geschippert wurden, aufwändig umgerüstet. Im ehemaligen Frachtraum können bis zu 60 Leute gemütlich Kaffee trinken. Da, wo der Binnenschiffer einst seine Werkstatt hatte, gibt es jetzt geflieste Toiletten und eine Bar. Und auf dem Sonnendeck können sich noch mal 150 Fahrgäste rekeln und die urwüchsigen Ufer mit den malerischen Schilfgürteln bewundern. Doch ohne das Treideln wäre das alles nur die Hälfte wert, weiß Frank Neumann. Die Idee zu der ungewöhnlichen Touristenattraktion hatte Neumanns Vater als er noch Chef war. „Etwas Besonderes für die Region musste her“, da waren sich Senior und Junior einig. Die Pläne, das Boot von einem Pferd ziehen zu lassen, hätten ihn anfangs nicht so begeistert, gibt Frank Neumann zu. Heute weiß er, dass „der Alte recht hatte“. Der Finowkanal ist der älteste, deutsche Kanal, der noch genutzt wird, erklärt Neumann. „Da sollen unsere Gäste auch historische Schifffahrtstechniken kennen lernen.“ „Blitz“ heißt der Wallach, der das Boot ziehen muss und angeblich zu nichts anderem taugt. Das jedenfalls behauptet das Bordpersonal hinter vorgehaltener Hand. Im Treideln scheint der Gaul seine Berufung gefunden zu haben. Ungeduldig scharrt er mit den Hufen, als sich die „Anneliese“ nähert. Und kaum angebunden, zieht der Schimmel das Boot, als wenn es ein Bollerwagen wäre - was die Passagiere anfangs nicht glauben wollen. Alle haben das berühmte Gemälde von Ilja Repin vor Augen, auf dem ein knappes Dutzend ausgemergelter Männer weit nach vorn gebeugt, ein Segelschiff durch die Wolga schleppen. Doch der Ex-Frachtkahn „Anneliese“ fährt im Barnim und nicht in Russland. „Blitz“ muss nicht die Strömung der mächtigen Wolga bezwingen, sondern den Finowkanal in Richtung Osten. Und da geht“s eher bergab. „Das Boot könnte jeder von uns alleine ziehen“, glaubt Heinz Geisdorf, der gut genährte Steuermann auf der „Anneliese“. Ihm nimmt man das gerne ab. Es gibt aber genügend Leute, die das nicht so recht glauben können: „Wir haben schon ein paar Mal eine Anzeige am Hals gehabt“, klagt Schiffseigner Frank Neumann. „Immer wegen Tierquälerei.“ Darüber kann der Eberswalder heute lächeln. Genauso wie über die unzähligen bürokratischen Schleusen, die Neumann und sein Vater passieren mussten, bevor wurde, dass ein Pferd ein Boot über den Finowkanal treidelt.
Mareike Meister
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