Potsdam-Mittelmark: Der grüne Knopf
Eine Firma aus Bergholz-Rehbrücke rüstet Schulen mit Alarmanlagen und speziellen Türschlössern gegen Amokläufer aus
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Nuthetal - Der Job von Lars Petermann ist nicht einfach: Er muss sich in einen Amokläufer hineinversetzen. „Ich muss genau wissen, wie so eine Tat abläuft“, sagt Petermann. Nur so können Schulen sicherer gemacht werden, sagt Petermann. Vier Jahre lang hat er zusammen mit seinem Geschäftspartner Matthias Gundel an einer technischen Lösung, einem Sicherheitskonzept gegen Amokläufe gearbeitet. Seit einem Jahr beliefert das Unternehmen der beiden von Bergholz-Rehbrücke aus über 100 Schulen in Deutschland.
„Den Amoklauf werden wir nicht verhindern, aber wir können das Ausmaß begrenzen“, so Petermann. Kurz nach der Tragödie an einer Realschule im schwäbischen Winnenden vor fünf Jahren, bei der 16 Personen getötet wurden, wollten immer mehr Schulen ihre Räume sicherer machen. „Viele Schulen sind mit dem Thema aber überfordert“, sagt Petermann.
Das Problem sei, dass die Bundesländer und die Polizei Schulleiter und Lehrer beim Thema Amoklauf alleinlasse. „Das betrifft sowohl die technischen Sicherungssysteme als auch die Vorbereitung auf den Ernstfall“, so der Chef der Nuthetaler Firma. Es gebe bisher keine Empfehlungen, wie man am besten alle Schüler und Lehrer im Gefahrenfall schnell informiere und sie in Sicherheit bringe.
Ein grauer digitaler Kasten könnte helfen, auf dem Display ein grüner Alarmknopf, produziert in Bergholz-Rerhbrücke. Man habe sich für Grün entschieden, sagt der Geschäftspartner Matthias Gundel, weil andere Farben besetzt seien. Rot stehe für Feueralarm, Gelb für Chemieunfall, Blau sei oft ein interner Hausnotruf. Die grüne Alarmbox sollte in allen Klassenzimmern hängen, meint er. In die Box integriert ist eine Videokamera und eine Gegensprechanlage. So können Rettungskräfte sich von außen in den Raum schalten und per Anweisung helfen.
Nicht nur die Farbe der Box, auch das Alarmsignal will durchdacht sein. Eine Tonabfolge? Gundel schüttelt den Kopf, eine Sprachansage sei besser, zumindest gebe es dadurch keine Missverständnisse. Sobald der Alarm ausgelöst werde, müssten die Abläufe eindeutig und einfach sein. „Im Gegensatz zum Feueralarm, dessen Signal man durch die Übungen kennt, wird Amokalarm nicht geübt“, erklärt Gundel. Eine derartige Übung würde Schüler und Lehrer zu sehr belasten. „Man weiß lange nicht, ob es eine Übung oder Realität ist, man muss sich verbarrikadieren“, so Gundel. Zudem könne erst die Polizei Entwarnung geben, nie der Schulleiter oder ein Lehrer. Er könnte vom Amokläufer womöglich dazu gezwungen werden.
Ganz wichtig für den Schutz vor Amokläufern seien die Türen. „Viele Schulen sind stolz auf ihre Alarmanlage, aber haben sich keine Gedanken gemacht, was dann passiert“, erklärt Petermann. Bei Amokläufen, so die Regel, solle man sich verbarrikadieren. Wenn Türen aber zum Flur hin aufgehen, bringe es nicht viel, Tische und Stühle vor den Eingang zu stellen. „Daher sollte jede Tür von innen verschließbar sein.“ Rein komme man dann nur noch mit einem Schlüssel. Automatische Türverriegelung oder ein Türknauf von außen sei nicht empfehlenswert: „So läuft man Gefahr, dass Schüler auf dem Flur bleiben“, so Petermann.
Die meisten Bestellungen bekommt die Firma Syacon aus Baden-Württemberg. „Das Land hat den Einrichtungen Fördermittel bereitgestellt“, sagt der Chef der Nuthetaler Firma. Eine Sicherheitstür kostet 300 Euro, Alarmsysteme für rund 30 Räume liegen bei 10 000 Euro – das ist die Basisvariante. Die Schulleiter sind erstaunt über die Preise: „Sie rechnen mit höheren Preisen, weil eine Brandschutzanlage im Vergleich dazu viel mehr kostet“, so Gundel. Dennoch haben die wenigsten das Geld, ihre Schule besser auszustatten.
In der Nuthetaler Firma mit ihren acht Mitarbeitern werden auch Verhaltenspläne für Schulen erstellt. „Sehr wichtig ist die Vorbereitung auf den Ernstfall“, sagt Gundel. Kinder und Lehrer sollten zum Beispiel die Raumnummer kennen. „Mit der Info, wir sind im Matheraum, können Rettungskräfte wenig anfangen.“ Also schlägt der Plan vor, neben die Alarmbox im Klassenzimmer die Raumnummer zu schreiben. Zudem sollten laut dem Plan sich Schüler und Lehrer klarmachen, dass sie bei Amokläufen nicht einfach rausrennen. „Das ist das absolute Gegenteil von dem, was man bei einer Katastrophe instinktiv macht, und zwar flüchten“, so Gundel. Die Kombination von Alarmsystem, Schließanlage und Sicherheitskonzepten findet mittlerweile auch außerhalb Deutschlands Beachtung. Auf der Bildungsmesse „Didacta“, die vor wenigen Wochen in Stuttgart stattfand, gab es schon Anfragen aus Saudi-Arabien und China. Die beiden Chefs der Firma Syacon würden sich noch mehr Interesse aus Deutschland wünschen.
Nach wie vor gehöre der Amokschutz im Gegensatz zum Brandschutz nicht zur Normalität. „Im Gegenteil – manche Schulen wollen gar nicht, dass die Öffentlichkeit von ihrem System erfährt“, so Gundel. Sie befürchten, dass sie dann als Krisenschule abgestempelt werden. „Dabei schauen sie nur vernünftig voraus.“
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