Von Henry Klix: Der „Grüne Punkt“ quillt über
Wohnungsgesellschaften klagen, weil Gelbe Tonne nicht geleert wird / Entsorger: Zu hoher Hausmüllanteil
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Teltow / Werder (Havel) - Drohen dem Landkreis neapolitanische Verhältnisse? Zumindest in einigen Wohnungsgesellschaften ist man sauer über das „Duale System Deutschland“: Gelbe Tonnen sind in den vergangenen Wochen ohne Vorwarnung nicht geleert worden und quillen über, wie Andreas Ackermann von der WG Havelblick in Werder eindrucksvoll deutlich macht. „Das sah hier aus wie nach einem Luftangriff, bevor wir das Gröbste weggeräumt hatten.“
Zwar würden kleine rote Aufkleber hinterlassen, dass sich unerlaubter Hausmüll in den Gelben Tonnen befinde. „Das stimmt aber nicht immer“, so Ackermann, der sich selbst mit Handschuhen an die Durchsicht gemacht hat. Die Tonnen würden selbst dann nicht abgefahren, wenn der Grüne-Punkt-Müll in undurchsichtigen blauen Säcken oder Einkaufstüten weggeworfen wird. „Das erfährt man aber nur, wenn man selbst intensiv nachrecherchiert.“ Ackermann ärgert der rüde Umgang mit seinen 500 Mietern, die schließlich alle ins „Duale System“ einzahlen würden. „Sicher gibt es schwarze Schafe, aber mit denen kann man doch erstmal reden.“
Zuständig für den Grünen Punkt im Landkreis ist ein Ludwigsfelder Ableger der „Fehr Umwelt Ost GmbH“ mit Sitz in Halle. Auch die Teltower Wohnungsgenossenschaft TWG hat das Unternehmen von seiner unschönen Seite kennengelernt. „Sicher gibt es das Restmüllproblem“, sagt TWG-Vorstand Jürgen Klein. „Aber der größte Teil der Mieter achtet darauf, dass tatsächlich nur Grüne-Punkt-Verpackungen in der Grünen Tonne landen.“ Dennoch würde es jetzt wiederholt Probleme mit der Abfuhr geben. Das Abfuhrunternehmen habe Geld dafür gefordert, als die TWG für ihre 2200 Wohnungen eine weitere Gelbe Tonne beantragte, selbst das Aufschließen der Sammelplätze wollte Fehr bezahlt haben. Klein: „Die Entsorgung wird doch schon beim Einkauf beglichen.“
Aus Kleins Sicht sind die Bedarfszahlen des Dualen Systems völlig veraltet. Der Berliner Speckgürtel boome, Einwohnerzahlen würden steigen und der Leerstand bei der TWG sei in den vergangenen Jahren von 10 auf 2,5 Prozent gesunken. „Es wird aber noch immer mit zehn Jahre alten Zahlen operiert.“
Unter den Wohnungsgenossenschaften wird gemutmaßt, dass Fehr im vorigen Jahr eine empfindliche Vertragsstrafe an das Duale System zahlen musste, weil zu hohe Mengen abgeliefert wurden. Im Hintergrund tobt noch ein ganz anderer Kampf: Die „Lizenzmengen“ sollen im vergangenen Jahr bundesweit um acht Prozent zurückgegangen sein – Handel und Verpacker zahlen zunehmend nicht mehr in die Entsorgungssysteme ein und nutzen Gesetzelücken, die erst mit der neuen Verpackungsverordnung im nächsten Jahr geschlossen werden. Es sind also mehr Verpackungen im Umlauf als „angemeldet“. Zahlen Bürger mit überquellende Gelben Tonnen die Rechnung?
Fehr-Geschäftsführer Norman Mattke bestätigt auf PNN-Anfrage, dass er eine Vertragsstrafe an seinen Auftraggeber DSD zu zahlen hatte, weil mehr Mengen als lizensiert abgeliefert wurden. Allerdings hätten Stichproben belegt, dass es am Hausmüll liegt. „Bei einem so extremen Hausmüllanteil müssen wir einfach die Notbremse ziehen.“ Da der auch in blauen Säcken entsorgt werde, werde reagiert – die Fahrer könnten nicht jede Tüte kontrollieren und die Bürger seien, nicht zuletzt durch die Hinweise im Abfallkalender, im Bilde. Mattke setzt auf einen „erzieherischen Effekt“.
DSD-Sprecher Norbert Völl betont, dass die Bedarfszahlen regelmäßig angepasst würden. Die Zahlen für den Landkreis sind allerdings Betriebsgeheimnis. Für Völl ist das Problem ein hausgemachtes: Da in Potsdam-Mittelmark, anders als in anderen Kommunen, nur für den abgefahrenen Müll bezahlt werden muss, werde die Gelbe Tonne missbraucht, um Müllgebühren zu sparen.
Havelblick-Chef Ackermann bleibt skeptisch: Für ihn ist zumindest bewiesen, dass das Müllmanagement bei der öffentlichen Hand besser aufgehoben ist als in der freien Wirtschaft, die eher Gewinn- als Service-orientiert agiere. Mit der kreiseigenen Abfallwirtschaft APM gebe es nie Probleme, sofort habe er dort den Geschäftsführer am Apparat, während er bei Fehr über den Anrufbeantworter kommuniziere. Ackermann: „Besser es ist ein bisschen teurer, als dass wir wie in Neapel auf den Müllbergen sitzen bleiben.“
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