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Von Henry Klix: Der Hecht in der Falle

Havelfischer über schnell sinkende Hochwasserstände verärgert: „Wir haben keine richtige Lobby“

Stand:

Werder (Havel) - Über 1,60 Meter hoch stand die Havel im Januar in Ketzin. Im Flussverlauf zwischen Potsdam und Brandenburg (Havel) waren Ufer überschwemmt, die Wehre zwischen Spandau und Rathenow blieben offen. Solche Hochwasser sorgten einst für eine Auffrischung der Fischbestände. Doch daraus ist zum Ärger vieler Fischer nichts geworden: Der Pegel ist schnell wieder auf einen Meter gesunken. Er hätte sich gewünscht, dass das langsamer geht, sagt Werders Fischer Tobias Mai. Mittels der acht Havelwehre hätte man den Prozess verzögern können. Doch die Chance auf eine Erholung der Fischbestände sei vertan worden. „Die Fischer haben eben keine richtige Lobby“, bedauert Mai.

Besonders Hechte nutzen überschwemmte Wiesen zum Laichen. Die Brut schlüpft nur im flachen Wasser, so Mai. Dieser Tage wäre es soweit gewesen. Doch die Laichgebiete sind längst wieder trocken gefallen. Teilweise kommen erwachsene Hechte aus abgeschnittenen Tümpeln nicht zurück in den Fluss, „Fischfallen“ nennen das die Fachleute. „Da kreisen jetzt Fischadler und Möwen.“

Auch Ronald Menzel vom Landesfischereiverband Brandenburg hält den Umgang mit den Havel-Staustufen für problematisch. Schriftlich hat er sich ans Wasser- und Schifffahrtsamt gewandt. Als Vorstandschef der Fischereigenossenschaft Brandenburg (Havel) hat er auch die Wasserbehörden in Potsdam-Mittelmark, Havelland und Brandenburg (Havel) angeschrieben. Millionen einheimischer Fische hätten sich Anfang März in Überschwemmungsbereichen zwischen Ketzin und Rathenow befunden, heißt es im Schreiben. Die „viel zu schnell“ sinkenden Pegel bezeichnete Menzel als „unverantwortlich“. Seine Bitte ans Wasser- und Schifffahrtsamt, für ein „langsames Absenken im Interesse des heimischen Fischbestandes“ zu sorgen, blieb ungehört.

Menzel ist klar, dass es widerstreitende Interessen gibt. „Aber wenn man die natürlichen Überschwemmungswiesen jedes Jahr nutzen würde, würde dort auch niemand mehr hinziehen“, so Menzel gegenüber den PNN. Er plädiert für eine Neustrukturierung der sogenannten „Staubeiräte“, in denen die verschiedenen Interessenträger mit der Schifffahrt über die „Stauziele“ beraten, die dann mit offenen oder geschlossenen Wehren umgesetzt werden. Für Ketzin wurden zuletzt für den Sommer 95 Zentimeter, für den Winter 1,05 Meter festgelegt. Die Fischer hätten sich zumindest bis April 1,30 gewünscht.

Aus Menzels Sicht ist es nicht allein das wirtschaftliche Interesse der Fischer und ihrer Kunden an regionalen Produkten, das für eine Förderung der Fischbestände spricht. Am Angeltourismus hänge „eine ganze Infrastruktur“. „Wenn die Leute hier nichts angeln, machen sie woanders Urlaub.“ Auch der Naturschutz könne nicht an der Wasseroberfläche Halt machen. Dass Fische und Fischbrut in Fischfallen verenden oder zum Opfer von Beutemachern werden, sei nicht hinzunehmen. „Fische haben auch ein Recht auf Leben.“

Gerhard Löper vom Wasser- und Schifffahrtsamt Brandenburg kann den Ärger der Fischer nachvollziehen. Bei den „Stauzielen“ müssten aber auch die Interessen der Seeanrainer und Landwirte beachtet werden. „Bei 1,20 Meter in Ketzin jammern die ersten.“ Ein Campingplatz an der Havel würde heute anders aussehen als vor 30 Jahren, „da gibt es technische und sanitäre Einrichtungen und befestigte Straßen, die kaputt gehen können“, so Löper. Landwirte würden zwar Entschädigungen bekommen, wenn sie ihre Wiesen verwässern. „Irgendwann wollen sie aber rauf, und nahrhaftes Gras wächst bei Dauer-Hochwasser auch nicht.“

Löper regt an, dass die Fischer zur nächsten öffentlichen Staubeiratssitzung kommen, wenn die Stauziele für die nächsten zwölf Monate festgelegt werden. „Wenn die Fischer etwas ändern wollen, müssen sie versuchen, es bei ihren Landräten im Staubeirat durchzusetzen.“

Sitzung des Staubeirats für Spandau bis Havelberg am 19. April um 9 Uhr im TGZ Brandenburg (Havel), Friedrich-Franz-Straße 19.

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