
© Christian Zube
Potsdam-Mittelmark: Der Himmel über Caputh
„Hörprobe“ bestätigt Belastung der Havelsee-Region durch Fluglärm
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Werder (Havel) - Kurz vor Schönefeld können die Passagiere des Airbus’ aus Glasgow die wunderschöne Seenlandschaft vor Potsdam und die hübschen Kirchtürme bewundern. Auch unten in Caputh trifft der Anflug auf reges Interesse: Ein kleiner Pulk von Menschen, eingeladen von der CDU-Umweltstaatssekretärin Katherina Reiche, lauscht der Easyjet-Maschine hinterher – eine „Hörprobe“, die Donnerstagmorgen vor der Stülerkirche dank Ostwetterlage veranstaltet werden kann. Fragestellung: Wie schlimm ist der Fluglärm wirklich?
Katherina Reiche hat Hans Niebergall mitgebracht, den Berliner Filialchef der Deutschen Flugsicherung. Auf dem „Flight Radar“ in seinem Laptop kann er in Echtzeit verfolgen, welche Flieger sich in welcher Höhe der Dorfkirche nähern. Ein sehr spezielles App auf seinem iPad verrät ihm, um welchen Flug es sich handelt – nichts für den Privatgebrauch.
Die Düsen und ausgefahrenen Landeklappen der A320 aus Glasgow machen ein ähnliches Geräusch wie die Automotoren und Reifen, die auf der benachbarten Hauptstraße über das Kopfsteinpflaster tackern. 2800 Fuß Höhe, sagt Niebergalls Laptop – rund 850 Meter. Ein CDU-Assistent hält ein Dezibel-Messgerät in die Luft: 53 Dezibel. Deutlich leiser zwar als die 66 Dezibel von der Straße. „Wenn man abseits in seinem Garten sitzt, spürt man den Fluglärm aber sehr deutlich“, betont Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU).
Seit einem Jahr ist die Gemeinde „Staatlich anerkannter Erholungsort“, Hoppe hat sich von der Flugroutenplanung vor den Kopf gestoßen gefühlt. Angesäuert ist sie auch, weil sich bei dem Termin bestätigt, was vom brandenburgischen Infrastrukturministerium immer bestritten wurde: Richtung Schönefeld fliegen die Airlines teils deutlich unter 1000 Meter.
Nach dem Bau des Großflughafens sollen täglich etwa 20 Flugzeuge die Region passieren, sagt Hans Niebergall. Ohne den Druck aus den Gemeinden und von den Bürgerinitiativen wären es dreimal so viele geworden. Doch außerhalb der Stoßzeiten sollen die Piloten jetzt einen kleinen Bogen fliegen – südlich vom Schwielowsee über unbewohntes Gebiet. Das Optimum? „Sie werden von mir nicht hören, dass man nichts mehr verbessern kann“, sagt Niebergall.
Der Befürchtung von Werders Bürgermeister Werner Große (CDU), dass der Flugplan 2012 nur noch Makulatur sein wird, wenn eine dritte Startbahn gebaut wird, widerspricht er aber. „Die wird über Jahre hinaus nicht gebraucht.“
Die parlamentarische Staatssekretärin Reiche deutet an, dass für die Region noch etwas rauszuholen sein könnte: Das Bundesumweltamt habe bei der Genehmigung der Flugrouten ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Die Diskussion über ein „absolutes Nachtflugverbot“, zu dem auch eine Volksinitiative läuft, wird vom Bundesumweltamt mit Interesse verfolgt. Dessen offizielle Prüfung der Flugrouten hat aber noch nicht begonnen.
Vier weitere Anflüge werden in einer knappen Stunde an der Stülerkirche noch gemessen. Die Piloten fliegen jetzt höher, doch die Maschinen sind lauter, der Lärmpegel steigt. Den Rekord erzielt eine aus London kommende Boeing 737 der Air Berlin in 6200 Fuß: 57 Dezibel misst der Assistent. Hundegebell und Kirchenglocken haben dagegen keine Chance.
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