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Potsdam-Mittelmark: Der letzte Gottesdienst

Zum Abschied von der katholischen Gemeinde St. Marien war die Wilhelmshorster Kapelle prall gefüllt / Gang in die Einöde?

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Zum Abschied von der katholischen Gemeinde St. Marien war die Wilhelmshorster Kapelle prall gefüllt / Gang in die Einöde? Von Gerold Paul Michendorf-Wilhelmshorst. Kein Ende ohne Anfang, kein Anfang ohne Ende. Mit einer Eucharistiefeier am ersten Fastensonntag verabschiedete sich die katholische Kirchengemeinde Wilhelmshorst von ihrem „Kapellchen“ im Föhrenhang. Nachdem es die Gläubigen jahrzehntelang durch das Kirchenjahr begleitet hatte, soll es nun verkauft und somit profanisiert werden. Der Anlässe gab es weitere: Pfarrer Werner Dimke wurde nach zwanzigjähriger Dienstzeit in den Ruhestand versetzt (was Bischöfen erst mit 75 erlaubt ist); ab sofort übernimmt Pfarrer Werner Felgner, langjähriger Sekretär des Berliner Kardinals, die Amtsgeschäfte. Sie reichen bis nach Beelitz. Zum anderen macht die allgemeine Finanzkrise auch vor Katholiken nicht halt. Neben dem Verkauf der Immobilie steht eine „zwangsläufige Fusion“ der katholischen Gemeinden ringsum ins Haus, die bis zum Sommer abzuschließen sei. Ein Teil von St. Marien wird der Propstei Peter und Paul in Potsdam zugeordnet, ein anderer gehört dann zu St. Caecilien in Michendorf. Wer seinen Gottesdienst weiterhin im Ort feiern möchte, kann das bei den „Schwestern Mägde Marien“ im Wilhelmshorster Ravensbergweg tun, dorthin trug man „die Eucharistie“, nachdem Weihbischof Wolfgang Weider diese Stätte feierlich entwidmet hatte. Damit verliert das Gebäude den Status eines geheiligten Ortes, der Altar wird entfernt, und alles mit ihm, was einem katholischen Christen kostbar ist. Die Welt erhält es gleichsam zurück. Zum letzten Gottesdienst war es freilich bis auf den letzten Platz besetzt, nicht nur von konfessionell Gleichgesinnten, es hatten sich auch Vertreter der Evangelischen Kirche eingefunden. Weihbischof Weider wünschte allen hocherfreut einen „möglichst schönen Gottesdienst“. Kardinal Georg Sterzinski ließ grüßen. Und wer nach der Fastnacht das Aschekreuz noch nicht empfangen hatte, konnte es am Sonntag nachträglich bekommen. Des Weihbischofs Predigt führte dann mit einiger Wehmut in die Wüste, den Ort der Einsamkeit, wo auch Jesus vierzig Tage fastete, indes Gott ihn nicht verließ, zugleich ein Ort der Anbetung. Dessen Zuversicht brauche jetzt auch die Gemeinde, denn die Profanisierung dieses Hauses nach 64 Jahren sei für alle ein „harscher Einschnitt“. Auch für jene, die viele unbezahlte Arbeitsstunden opferten, das frühere Wohnhaus zur Kirche umzubauen und inwendig zu verschönen. „Was will Gott uns damit sagen?“ Nach seiner Meinung tritt die Gemeinde nun einen Gang in die Einöde an: „Betet zu Ihm aus eurer Wüste!“ Ob es wirklich so schlimm ist? Die Glaubensgeschwister sind doch nicht verloren, mit Pfarrer Werner Felgner haben sie einen neuen Hirten bekommen, und in die Fürbitten des Weihbischofs waren der Papst und seine Kirche eingeschlossen. Zusammenrücken statt Auseinandergehen hieß ja die Botschaft an diesem „schweren Tag“. Man versteht sich ohnehin als eine Art auserwähltes Volk“ inmitten der Christenheit, welches hier im Norden das schwere Dasein einer Diaspora zu führen hätte, und nennt sich, entgegen der allgemeinen Meinung, gern „arme Kirche“, was mit dem Verkauf dieses Hauses genauso zu beweisen wäre wie mit einer Spendenaktion, welche dem Berliner Erzbistum jüngst 870000 Euro einbrachte. Vielleicht ist das alles gar nicht so schlimm, vom Glauben aus gesehen. Trotzdem blieb die Stimmung ernst und bedrückt. Der Gottesdienst selbst klagte und bat „Herr hilf uns vor dem Bösen“ und „Herr, du stehst uns bei in aller Not“, als ob es ums Letzte ginge. Einzig der Saarmunder Familienchor, der die Liturgie musikalisch so wunderbar begleitete, begründete Freude und Zuversicht – ein so heiteres Vaterunser hat man bisher selten gehört. Nach Abendmahl und Dankgebet wurden die Insignien des Altars in purpurne Tücher gehüllt und beiseitegeräumt, die Priesterschaft verließ das nunmehr weltliche Haus in Richtung der „Mägde Marien“. Es wird, mit allem Gottvertrauen, gewiß ein neuer Anfang sein.

Gerold Paul

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