Potsdam-Mittelmark: Der mit den Pferden tanzt
Pferdeflüsterer Monty Roberts aus Kalifornien nahm es in Kemnitz mit Hufenrowdies auf
Stand:
Werder · Kemnitz - Heike Born hat mit Amun ihre liebe Not. Acht Jahre alt ist der Wallach, aber die Hufe konnten erst zweimal ausgeschnitten werden. Der dunkle Warmblüter schlägt aus, wenn man ihm an die Füße geht und buckelt, wenn er das kleinste Gewicht auf dem Sattel spürt. Nur von zwei erwachsenen Männern ist er im Galopp am Longierseil zu halten. Auch beim Casting für die Monty-Roberts-Show in Kemnitz zeigt Amun, was er nicht leiden kann.
Dreizehn Tiere werden dem „Pferdeflüsterer“ aus Kalifornien am Mittwochnachmittag vorgestellt. Jene sechs dürfen in die abendliche Show, die sich am ungebührlichsten verhalten. „Goooood, good“, freut sich Monty Roberts nach der Vorstellung Amuns. Das Tier bringt alles mit, was er für seine spätere Darbietung braucht. Während Roberts außerhalb einer eingezäunten, vielleicht acht Meter durchmessenenden Manege sitzt, halten seine Mitarbeiter dem Prüfling an einer 1,50 Meter langen Stange einen ausgestopften Handschuh an die Fessel. Ein Zittern fährt durch den Körper. Als nächstes legt sich Gerald mit gebührender Vorsicht bäuchlings auf eine Sattelseite. Amun verhält sich wie versprochen, als sich Geralds Füße vom Boden lösen, und bäumt sich auf. „Very nice.“ Die Cowboys bringen sich in Sicherheit.
Monty Roberts kommt schlicht gekleidet daher, in Wranglers, Jeanshemd und Schiebermütze. In klaren, einfachen Sätzen verbreitet er seine Botschaft vom gewaltfreien Umgang mit Pferden, der Dolmetscher hat es leicht. Dass Robert Redford im Hollywoodfilm das Pferd am Ende an den Füßen gebunden hat, um es zu zähmen, lehnt Roberts ab – schlechtes Handwerk. „Mein Vater hätte es allerdings auch so gemacht.“
Geboren wurde Monty Roberts 1935 als Sohn eines Pferdetrainers in Salinas. Mit vier Jahren lernte er reiten, konnte sich aber nie mit den „Rodeomethoden“ seines brutalen Vaters anfreunden. Roberts erforschte an wilden Mustangs die Pferdepsychologie, zog Parallelen zu Kindern und Jugendlichen und will sogar der Pferdesprache auf den Grund gekommen sein, die er „equus“ nennt. Als er sich am Mittwochabend im Gestüt Bon Homme vor 1000 Zuschauern Amun in den Ring holt, konnte man skeptisch werden. Ein bisschen Show gehört eben dazu.
„Magst du mich“, fragt er den Wallach. „Ich mag überhaupt keine Menschen und von dir habe ich in der Zeitung gelesen. Ich weiß, wer du bist. Aber bei mir funktioniert dieser Kram nicht“, übersetzt Roberts die Antwort, während er Amun, mit der Longe klopfend, in beide Richtungen durch das Rund treibt. „Join up“, so lautet eine der Methoden, mit der er die Welt ins Staunen bringt. Am Anfang werden die Pferde durch ihre 400 Meter lange Fluchtdistanz „gearbeitet“. Dann sind sie reif zur Kommunikation. Der Zirkel wird kleiner, Amun „kommt langsam an“, senkt im Lauf den Kopf und beginnt zu kauen. Roberts kann das Pferd jetzt mit geöffneter Hand über dem Kopf beschleunigen und mit geballter Faust verlangsamen. Ein Ohr dreht sich zu ihm – das ist das Signal, auf das Roberts gewartet hat.
Geschäftstüchtig ist der Mann, der schon als Stunt-Double für Elizabeth Taylor gearbeitet hat und offizieller Berater der englischen Königin ist. Vor der Show wirbt er unverblümt und wortgewaltig für seine Sponsoren und Spezialhalfter, nimmt sich aber auch viel Zeit, seine eben für 20 bis 35 Euro verkauften Bücher und Videos zu signieren, sich mit pferdebeschwänzten Mädchen ablichten zu lassen und das geschnitzte Pferdchen eines Familienvaters entgegenzunehmen. Seine obere Zahnreihe lächelt auf Zuruf, seine vier Bücher verkauften sich millionenfach. Auf seiner Deutschlandtournee mit fünf Stationen sind ihm volle Säle sicher. Fast 40 Euro zahlen die Leute in Werder für Roberts Show. Neben Potsdamer, Berliner und Mittelmärker Kennzeichen ließt man auf dem Parkplatz OS, SPN, BAR, MOL, GS, OK oder DE.
Das weit gereiste Publikum kann zuschauen, wie Roberts gewalt- und sogar peitschenfreie Technik selbst bei den schlimmsten Hufen-Rowdies greift. Ohne Naschereien! „Das Pferd muss wissen, dass es in der Nähe von Menschen nur Gutes zu erwarten hat. Ein Chef füttert aber nicht“, sagt Roberts.
Nach dem Einreiten zweier Jungpferde kommen die Problemfälle in die Show: Roberts erzählt dem Publikum vom Frühling, seiner Goldenen Hochzeit mit Pat nächsten Monat oder seinem Besuch am Donnerstag bei der Queen, während er Don Prima nach 20 Minuten friedlich auf einen Pferdeanhänger geleitet. Zum Verladen für die Show hatten drei Männer drei Stunden gebraucht, Don Prima war fast auf“s Hängerdach gestiegen. Oder während er Bogoria wieder an die Trense im Maul gewöhnt. Der Warmblüter hatte bei den Vorbesitzern schlechte Erfahrungen gemacht – sie hatten ihn mit einer Fahrradkette geritten. Roberts heilt ihn mit einem Holzlöffel, an den etwas Kirschmarmelade geschmiert ist – und freut sich verschmitzt: „Hihihi“. Zwei der Tiere „behandelt“ seine erste deutsche Schülerin Andrea Kutsch, die nach sieben Jahren Roberts-Studium derzeit in Bad Saarow die „Andrea Kutsch Akademie für Pferdekommunikationswissenschaft“ aufbaut.
Auch für Amun stellt sich nach 30 Minuten die Frage, warum die Besitzerin aus dem Havelland ihn nicht selbst in den Griff bekommen hat? Was Roberts tut und erklärt, sieht so einfach aus und hört sich so simpel an, als wenn jeder Wunder vollbringen könnte. Als Amun soweit ist, nimmt Roberts Kontakt zu ihm auf, berührt ihn kurz an der Stirn, um sich kurz darauf abzuwenden und ihm die kalte Schulter zu zeigen. Amun schnuppert neugierig hinterher, lässt sich von Roberts an seinen verletzlichen Stellen – am Hals und am Bauch – streicheln und wird für seine Treue belohnt, Vertrauen baut sich auf.
So fing es auch an, als Roberts vor zwei Jahren im Berliner Tempodrom gastierte. Samantha Giese hatte eines ihrer Tiere von ihrem kleinen Hof bei Berlin-Schönefeld in seiner Show. Die vierjährige Welshkop-Stute hatte „schlechten Menschenkontakt“, hat sich kaum anfassen lassen. „Als wir sie bekommen hatten, konnte ich sie kaum halftern.“ Nach 50 Minuten in der Show nahm das Pferd erstmals Sattel und Trense, blieb auch danach „wie ausgewechselt“. „Das Pferd lässt sich seitdem am Halfter führen, joggt mit meinem Mann selbst durch die Autobahnbrücke und ist viel besser zu händeln.“ Irgendwann will sich Samantha Giese die Zeit nehmen, die Stute einzureiten.
Diesmal hat sie ein Deutsches Reitpony mitgebracht: Mack the Knife, ein junges Ruhepferd, das nach drei Jahren auf der Weide bereit für den Sattel ist. Giese hat sich aus Büchern und Shows einiges von Roberts antrainiert. Den Tieren ein guter Chef sein, dieselbe Sprache sprechen, die Pferde nicht runterboxen, so fasst sie ihre Lesart des 70-jährigen Kaliforniers zusammen. „Wenn ich mich um nichts anderes kümmern würde, könnte ich Mack in einer Woche einreiten“, sagt Samantha Giese. Als in der Show nach 30 Minuten der Jockey auf dem Sattel sitzt und sich Mack nach seinem ersten Ausritt auch noch wohlig auf dem Boden suhlt – „completely relaxed“ – kommen ihr die Tränen.
Für Amun wird es jetzt ernst: Monty Roberts Schüler Gerald kommt dem bodenständigen Maestro zur Hilfe und bringt Hermann mit, eine ausgestopfte, menschengroße Puppe, mit der Amun über den Rücken gestreichelt wird. Amuns Vorarme sind angespannt, aber er bleibt auch dann noch unten, als die beiden Männer die Puppe mit Karabinern am Sattel festschnallen. Dann ist Amun wieder reif für seine Fluchtdistanz, Roberts treibt ihn ein Dutzend Runden mit einer Doppellonge durch das „Round Pen“, lässt ihn noch ein paar Schritte rückwärts gehen, bevor er ihn von der Puppe befreit.
Gerald hat den Cowboyhut derweil gegen einen Reithelm getauscht. Nach einer Aufsteig-Probe mit der Puppe steigt Gerald selbst über Roberts Knie auf, streift mit seinen Beinen über Amuns Rücken, bevor er vorsichtig die Steigbügel aufnimmt. Schritt, Trab, Galopp und rückwärts – der Braune nimmt die Gangarten, als wenn er in seinem Leben nie etwas anderes getan hat. Nach der Vorstellung schnauft Amun fröhlich in die Runde. Monty Roberts kommentiert: „Wenn sie ihre Angst überwunden haben, sind die Pferde auch mit sich selbst glücklich.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: