
© Thomas Lähns
ZUR PERSON: „Der Stress ist ein anderer geworden“
100 Tage im Amt: Michendorfs Bürgermeister Mirbach über Verwaltungsumbau, Geldbeutelpolitik und seinen alten Benz
Stand:
Vor hundert Tagen haben Sie Ihr Amt als Bürgermeister von Michendorf angetreten – und ihren früheren Job im Bundeskanzleramt an den Nagel gehängt. Hat der Stress zu- oder abgenommen?
Er ist ein anderer geworden. Ich bin jetzt öfter an den Abenden und Wochenenden unterwegs. Dafür habe ich aber morgens die Möglichkeit, meine Kinder zur Kita und in die Schule zu bringen. Und ich genieße die kurzen Wege: Während ich früher eine Fahrzeit von gut einer Stunde zur Arbeit hatte, kann ich jetzt innerhalb von 15 Minuten überall in der Gemeinde sein.
Nach der Wahl waren die Erwartungen der Bürger an sie riesig. Hat sich das bemerkbar gemacht?
In den ersten beiden Monaten war es ein ständiges Kommen und Gehen. Ich hatte versprochen, dass ich mich auch der kleinen Probleme annehme, und so sind viele zu mir gekommen mit zum Teil persönlichen Anliegen: Ärger in der Nachbarschaft oder mit der Verwaltung. Sie fühlten sich manchmal abgekanzelt. Ich konnte den meisten klarmachen, dass sie ernst genommen werden, dass die Verwaltung aber auch an rechtliche Vorgaben gebunden ist. Immerhin: Jeder, der jetzt bei uns eine Anfrage stellt, bekommt nach spätestens einer Woche eine Antwort.
Einer Ihrer ersten Schritte ist der Umbau der Verwaltung gewesen. Gab es Murren unter den Mitarbeitern?
Normalerweise würde man bei so etwas Widerstände erwarten, aber ich habe sehr engagierte Mitarbeiter vorgefunden, die dem aufgeschlossen gegenüberstanden. Ich habe mit jedem gesprochen und am Ende hieß es: „Wir sind dabei“. Kritische Anmerkungen hat es manchmal in Detailfragen gegeben: dass man dies und jenes noch berücksichtigen müsse. Das hat geholfen, weil man als Bürgermeister ja überwiegend das große Ganze sieht.
Für das leerstehende Tryp-Hotel gibt es mit der Berliner Second Life Hotelholding GmbH einen neuen Mieter, und die Papenburg AG als Eigentümer des brachen Teltowmatgeländes ist plötzlich zu Gesprächen bereit. Alles Ihr Verdienst?
Ich hatte das Gefühl, dass die Papenburg AG auf einen Neuanfang gewartet hatte, darauf, dass ein anderer Ansprechpartner an den Tisch kommt. Beim ehemaligen Tryp-Hotel hat die Zeit geholfen: Der Vertrag zwischen dem Eigentümer und dem ehemaligen Pächter ist jetzt beendet worden. Der neue hat gleich bei uns angefragt, ob die Gemeinde eine Wiedereröffnung unterstützt. Da sagt man dann gern ja, vor allem, weil sich der Betreiber an der Region orientieren will. Im Mai soll es nun losgehen, die Gewerbeanmeldung ist bereits erfolgt – nicht in Berlin, wo die Holding sitzt, sondern bei uns in Michendorf.
Fünf von sechs Ortsvorstehern hatten Ihre Wahl unterstützt. Die SPD hatte gestichelt, sie würden zu deren Marionette werden. Wie lässt sich der Blick auf die Gesamtgemeinde durchsetzen?
Die Differenzen einzelner sind zum Teil noch vorhanden. Aber durch die vielen Zuzüge wird Michendorf immer mehr als eine Gemeinde wahrgenommen – bei allen ortsspezifischen Besonderheiten, die auch weiterhin gepflegt werden. Zusammenarbeit gibt es in vielen Bereichen: Die Kitas greifen sich gegenseitig unter die Arme, und auch für die Vereine verschwinden die Grenzen. Politisch funktioniert es auch: Wenn Geld für den Straßenbau bereitgestellt wird, soll das künftig nach Notwendigkeit, nicht nach Ortsteil gehen. Ich will da anknüpfen, zum Beispiel mit der Initiative für den Bau von Solaranlagen.
.... bei der alle mitmachen außer dem Ortsteil Michendorf.
Keiner sollte gegen seinen Willen gezwungen werden. Es ist ja auch wichtig, dass man die Ortsteile nicht überrollt.
Ihre Vorgängerin konnte – auch dank Fördermitteln – riesige Investitionen umsetzen. Wird so etwas künftig noch möglich sein?
Wir sind nach wie vor in der glücklichen Lage, ohne Kredite investieren zu können. Aber die Zeiten einer beruhigenden Geldbeutelpolitik sind vorbei. Andererseits ist ja enorm viel geschehen: Kitas und Schulen sind durchsaniert, die Gemeindeplätze ebenso. Und der Fuhrpark der Feuerwehr ist in einem guten Zustand. Defizite gibt es noch beim Straßenbau.
Wie ihre Nuthetaler Kollegin Ute Hustig sind sie gleich auf Potsdam zugegangen. Sehen sie Ihre Gemeinde eher bei der Landeshauptstadt als im Landkreis?
Es ist nun mal so, dass Potsdam großen Einfluss auf uns hat: als Arbeitsort, als Freizeit- und Kulturstätte und von der Verkehrsinfrastruktur her. Durch die unmittelbare Nähe orientiert man sich eher dorthin als nach Bad Belzig. Deshalb ist der Wunsch da, sich auszutauschen und nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Während Seddiner See sich auf Beelitz fokussiert und Schwielowsee auf Werder, blicken Michendorf und Nuthetal aufeinander – und nach Potsdam.
Sind das schon die Vorzeichen einer möglichen Kommunalreform?
Man überlegt natürlich: Wer sind die Nachbarn? Aber die kommunale Selbstverwaltung in einer 12 000 Einwohner starken Gemeinde wie Michendorf funktioniert einwandfrei. Es gibt keine konkreten Überlegungen, etwas zusammenzulegen. Für Behördengänge ist es den Bürgern wichtig, Ansprechpartner vor Ort zu haben. Was die Verwaltung im Hintergrund angeht, ist eine Zusammenarbeit aber künftig nicht ausgeschlossen.
Eine der größten Sorgen ihrer Gemeinde ist die Bahnanbindung. Es droht die Gefahr, dass künftig nur noch eine von einst drei Linien hier entlang fährt. Was kann die Gemeinde dagegen tun?
Ich habe erneut beim Verkehrsministerium nachgefragt, ob die neue Führung der RB 22 in Anbetracht der Fahrgastzahlen als Erfolg gewertet werden kann – und darum gebeten, noch einmal zu prüfen, ob die alte Strecke durch Michendorf nicht besser war. Unser Notnagel wäre eine Verlängerung des RB 23 nach Saarmund. Das wichtigste aber bleibt der Erhalt des Halb-Stunden-Taktes nach Berlin – einem der Hauptgründe, warum die Leute hier her ziehen. Man kann nur immer wieder nachhaken, schreiben – und darauf hinweisen, dass die Nachfrage besteht.
Sie selbst sind jetzt weniger mit der Bahn unterwegs, man sieht sie oft in ihrem alten Mercedes. Was hat es mit dem auf sich?
Den habe ich vor Jahren von meinem Großvater übernommen. Ich habe einen Kat nachgerüstet und halte ihn in Ehren. Das Auto wird in diesem Jahr dreißig und damit offiziell zum Oldtimer. Aber wenn es jetzt wärmer wird, werde ich mich auch wieder öfter aufs Fahrrad schwingen.
Das Interview führte Thomas Lähns
Reinhard Mirbach (CDU) ist seit 17. Dezember 2011 neuer Bürgermeister von Michendorf. Bei der Stichwahl im September hatte er 60 Prozent der Stimmen geholt. Der 44-jährige Diplom-Verwaltungswirt hat seit 1996 im Bundeskanzleramt gearbeitet, zuletzt als Ausbildungsleiter. In den 1990ern war er von Bonn nach Wilhelmshorst gezogen. Er engagierte sich unter anderem als Vorsitzender des Sportvereins Wilhelmshorst und in der Gemeinde- und Kreispolitik. 2008 machte er einen Hochschulabschluss im Bereich Personalentwicklung. Mirbach ist verheiratet und hat drei Kinder.
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