KulTOUR: Der Traum vom schönen Prinzen
Eine wunderbare Stunde mit Däumelinchen bei den Caputher Musiken
Stand:
Schwielowsee · Caputh - Kinder wissen vieles besser. Als der Berliner Puppenspieler Martin Lenz ihnen im Anbau des Caputher Schlosses vor der Vorstellung erklärte, der Dichter Hans Christian Andersen habe in seinem Leben etwa einhundertsechzig Märchen geschrieben, rief eines ja dazwischen: „Hundertsiebzig!“ Das war etwas keck gesprochen. Dafür kannten sie allesamt neben dem angekündigten „Däumelinchen“ etliche andere Märchen des Dänen und wussten dem knirpsigen Mädchen folglich gut zu raten, als der Frosch es mit seinem etwas dümmlichen Sohn verheiraten wollte oder das Marienkäfer-Geschwader die Holde aus seinem Reiche vertrieb. Das Traumbild eines geflügelten Prinzen, genauso klein wie sie und von aparter Schönheit, treibt dies Wesen in die Weite. Es sucht ihn überall, erlebt die guten wie die bösen Seiten der Welt, tut gar einer kranken Schwalbe wohl. Manchmal nur träumt sie von ihrer nimmerwelken Blüte, welche sie dem begehrten Prinzen und Gatten in spe zuliebe verließ.
Das Märchenspiel von der großen Sehnsucht einer kleinen Prinzessin war die jährliche Kinderveranstaltung der „Caputher Musiken“, entsprechend voll der Ausstellungsraum im kurfürstlichen Seitenflügel. „Däumelinchen“ wird in zwei Fassungen angeboten: mit selbstkomponierter Musik von Martin Lenz aus der Konserve oder mit Klängen von Telemann, Veracini, Philidor und Rameau im originalen Barocksound. Die Wahl der zweiten Version ermöglichte es den Kindern, das „Werden“ der Klänge live mitzuerleben. Leila Schoeneich spielte diverse Blockflöten, Sabine Erdmann das Cembalo. Auch hier wussten die Kinder Bescheid, als man sie in Sachen Instrumentenkunde befragte.
Martin Lenz selbst agierte in einer traditionellen Kabinettbühne mit Hand- und Stabpuppen, übte sich auch im Gesang. Seine Inszenierung war schön anzusehen, ausgesprochen heiter und höchst interaktiv. Das künftige Brautpaar und alles Geflügel wurde an Stäben geführt, das Kriechende oder Hopsende direkt mit der Hand. Der hinterlistige, aber singende Frosch, welcher Däumelinchen („bin Nichtschwimmerin!") mitten auf dem Seerosenteich verließ, um es zur Hochzeit mit dem tölpeligen Sohnematz zu bewegen, konnte zum Gaudi der Kinder sogar mit den Augen blinzeln. Frau Maus war eine „Unterbühne" zugewiesen, der Maulwurf, zuerst Egoist, dann aber Helfer, solange er der wehen Schwalbe nicht ansichtig wurde, trat stets von seinem Grabehügel aus in Erscheinung. Alle wollten sie Däumelinchen haben, doch daraus wurde nichts. Wenn schon Hochzeit, dann konnte es nur der Prinz aus dem Traum sein. Tut man denn so etwas, einem Phantom nachjagen?
Man schuldet Andersen (1805-1875) für jede seiner gedruckten Lektionen viel Dank. Das Jubeljahr zu seinen Ehren kommt zwar still daher, doch immer poetisch: Däumelinchen erzählt ja, wie aus einem Traum letztlich Wirklichkeit wird und dass man eigentlich gar nicht weit zu gehen braucht, um sein Glück zu finden. Die Schöne durchirrt alle Welt, ohne Prinz Flügel zu begegnen. Und wo trifft sie ihn? Nach einem abenteuerlichen Flug auf dem Rücken des inzwischen genesenen Vogels – daheim in ihrer Blüte, wo er schon lange auf sie wartet. Nun war selbst der kleine Besserwisser leise, denn solch wundersame Geschichten greifen jedem ans Herz und bewegen das Gemüt. Ein Lob der Romantik, ein Hoch der Poesie, ein Dank den drei Ausführenden fr diese wunderbare Stunde.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: