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Potsdam-Mittelmark: „Der viel gepriesene Heldentod“
Arbeitskreis sammelt Fakten und plant Denkmal für Opfer der Schlacht in den Fercher Wäldern
Stand:
Seddiner See - April 1945: Nach einem anstrengenden Nachtmarsch hatte sich Rolf Böhme in einem Stall in Frontnähe ausgeruht. Er ging auf den Hof, um sich einen Becher des ausgegebenen Rums zu holen. „Kurz danach schlug eine sowjetische Granate in den Stall ein. Bis auf einen wurden alle, die darin waren, in Stücke gerissen.“ Die Passage stammt aus dem Erinnerungsbericht von einem Teilnehmer der letzten großen Schlacht des Zweiten Weltkrieges, die kurz vor Kriegsende in den Wäldern um Neuseddin, Ferch und Beelitz tobte: Mehrfach ist Rolf Böhme damals knapp dem Tod entronnen. Seine Einheit wurde nach dem Rückzug in Wiesenburg von Armeebefehlshaber Walther Wenck, der von einem Panzer herab sprach, „zum Kämpfen und Durchhalten“ aufgefordert. Sie erreichte dann aber unter hohen Verlusten die Elbe und begab sich in amerikanische Gefangenschaft.
Böhme hat seinen Bericht dem Arbeitskreis „Pro Ferch“ zur Verfügung gestellt, der sich auf Initiative des Althistorikers Christian Gizewski um eine Erinnerungsstätte für die Opfer der letzten großen Schlacht des Zweiten Weltkriegs bemüht. Ihr Ende bedeutete für Deutschland den „Beginn der Nachkriegszeit“, sagt Gizewski, sie sei im Gegensatz zu den Seelower Höhen und Halbe heute aber fast vergessen. Gedacht werden soll der deutschen und der sowjetischen Gefallenen ebenso wie der Opfer in der Zivilbevölkerung. Dazu plant der Arbeitskreis auch Ausstellungen und sammelt Zeitzeugenberichte, Dokumente, Karten und Fotos.
Einige Bewohner des Gebietes haben bereits solche Materialien zur Verfügung gestellt. Dazu gehört auch eine Arbeit des Michendorfer Ortschronisten Hans-Joachim Strich. Die Beiträge können auf der von Gizewski eingerichteten Internetseite eingesehen werden. Im Gemeindehaus der evangelische Kirchgemeinde Neuseddin hat der inzwischen auf 60 Interessenten angewachsene Arbeitskreis einen Versammlungsort gefunden. Hier trifft er sich am 29. Mai um 15 Uhr, zum nächsten Mal. Er ist weiter auf der Suche nach Mitgliedern und Unterstützern (Kontakt unter 030/833 7810).
Kontakte hat der Arbeitskreis inzwischen mit dem Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge hergestellt, der in Halbe eine zentrale Dokumentationsstelle für die Kämpfe am Kriegsende zwischen Oder und Elbe plant. Ihr werde man die eigenen Forschungs- und Sammlungsergebnisse zugänglich machen, kündigte Gizewski an. Zudem ermögliche die Existenz einer solchen Stelle, dass sich der Arbeitskreis territorial auf die Ereignisse in den Fercher Wäldern konzentriert. Inzwischen ist in den jungen Verein die Idee eingebracht worden, die Opfer der Schlacht durch ein Kunstwerk zu würdigen. Dazu hat die Werderaner Malerin und Bildhauerin Maren Simon die Skulptur einer auf den Boden schauenden Frau vorgeschlagen. Als möglicher Aufstellungsort sind die damals als Lazarett dienenden Beelitzer Heilstätten im Gespräch.
Rolf Böhmes Bericht gehört derweil zu den wenigen authentischen Zeugnissen, die von der Schlacht existieren. Er schildert eine Szene, die charakteristisch für jene letzten hoffnungslosen Kriegstage gewesen sein durfte: Sein Trupp zog den vor Schmerzen schreienden Überlebenden mit einer Schusswunde im Unterleib aus dem Stall und legten ihn auf eine Zeltbahn, um ihn zum Sanitäter zu bringen. „Doch er starb dabei unter entsetzlichen Qualen. Wir brachen die Hälfte der Aluminium-Kennmarke mit seiner Registriernummer ab Danach hoben wir mit unseren Feldspaten ein flaches Grab aus, legten ihn hinein und bedeckten ihn mit Erde. So endete ein Menschenleben, das war der viel gepriesene Heldentod.“
Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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