KulTOUR: Der „Zille“ vom Schwielowsee
Eine Ausstellung zeigt Werke des Karikaturisten Walter Bier in Ferch und Caputh
Stand:
Schwielowsee - Ein staatlich anerkannter Erholungsort, und keine intakten Gehwege für das Fußvolk? Ein Unding, dachte sich der Caputher Zirkelleiter und Karikaturist Walter Bier, wenn die alten Leute lieber auf der Straße laufen, zum Leidwesen der Autofahrer. Und zeichnete flugs eine entsprechende Karikatur für den ortsansässigen „Havelboten“. Das war um 2010. Das Wunder geschah: Die Gemeinde machte sich tatsächlich daran, die Gehsteige auszubessern.
Eine kleine Geschichte nur aus den Annalen des Caputher Mal- und Zeichenzirkels, den Walter Bier (1928–2015) vor 35 Jahren aus der Taufe gehoben hatte. Ihm und dem Zirkel zu Ehren gibt es jetzt eine Doppelausstellung in der Fercher Gemeindeverwaltung und im Heimathaus Caputh. Letztere ist Biers Karikaturen meist im Zusammenhang mit Caputh gewidmet. Ob nun das Ortsblatt Jubiläum feierte oder ein Jahresfest anzuzeigen war, stets war der „Zille vom Schwielowsee“ bereit, etwas dafür zu zeichnen, meist unentgeltlich übrigens.
Gutmütige Karikaturen, auch in den drei Schautafeln im Hof, wo es um wochenendtreue Ehemänner, um entflogene Papageien oder um den Frühjahrsputz im Ort ging. Sehenswert. Auch politisch war mal die eine oder andere Zeichnung. Hommage und Dankeschön des Zirkels also. Walter Bier erhielt 2011 den Eintrag ins „Goldene Buch“ der Gemeinde Schwielowsee, die gezeigten Karikaturen sind sein Vermächtnis ebenso, wie man die 35-jährige Zirkelarbeit, klar, als einen beträchtlich guten Teil seines Lebenswerkes ansehen kann.
Davon erzählt die so schöne wie opulente Ausstellung in den Fluren und im Konferenzraum der Fercher Gemeindeverwaltung. Das Amt dort legt ja nicht erst seit gestern großen Wert darauf, einheimische Künstler vorzustellen. Auch Amateure, schließlich ist solche Zirkelarbeit ja auch eine Form gesellschaftlichen Tuns, auch wenn das viel zu wenig wahrgenommen wird. Wo man sitzt ganz amtlich und tagt – der Schlüssel muss im Sekretariat abgeholt werden –, gibt es neben Orts- und Landschaftsbildern der näheren Umgebung, neben romantisch-nächtlichem Leuchtturm und pastellenen Blumen auch eine ausführliche Dokumentation über das 35-jährige „Innenleben“ dieses Zirkels, der schon wenige Jahre nach seiner Gründung 1981 staatlicherseits als „hervorragend“ eingestuft wurde. Lesens- und bemerkenswert.
Dann die Fülle von Variationen an Stilen und Handschriften auf den Fluren: Blumen- und Vogelmotive, Landschaften, Veduten und Experimentelles, manches Werk scheint nicht von Amateuren zu sein, andere scheinen den Kuss der Muse noch nicht empfangen zu haben. Würde da nicht „Mal- und Zeichenzirkel“ dranstehen, könnte man diese vielfältige Exposition in toto auch für das Werk von Profis halten. Wie immer auch, hier sind 16 vom Zirkel repräsentiert, malend, so gut, wie es geht, und stets ihres Meisters gedenkend, der vielen von ihnen in guten und in schweren Stunden wie Vater und Freund gewesen sein muss.
Natürlich ist der Zirkel von Walter Bier nicht der Zirkel nach Walter Bier. Bärbel Krause, von der sehr gute Arbeiten zu sehen sind, führt ihn interimsmäßig, will aber abgeben. Nun ist der Posten eines guten Lehrers vakant, manch einer könnte sich da im Ehrenamt eine goldene Nase verdienen. Respekt und Glückwunsch also zum 35., es kommen bestimmt noch ein paar Jahre dazu. Mit den Gehwegen soll es ja auch vorangehen. Gerold Paul
Heimathaus Caputh, geöffnet bis 21. August. Sa und So von 15–18 Uhr, Ferch bis Dezember zu den Öffnungszeiten des Amtes
Gerold Paul
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