Potsdam-Mittelmark: Der „zweite“ Theodor
Werder - Fontane kennt nun hierzulande jeder, aber wer kennt schon Theodor Heinrich Wagener? Scharenweise strömte das Publikum am Mittwoch ins Werderaner „Hotel zur Insel“, um dem Vortrag „Fontane am Schwielowsee“ zu lauschen, den Lothar Weigert für den örtlichen Heimatverein hielt.
Stand:
Werder - Fontane kennt nun hierzulande jeder, aber wer kennt schon Theodor Heinrich Wagener? Scharenweise strömte das Publikum am Mittwoch ins Werderaner „Hotel zur Insel“, um dem Vortrag „Fontane am Schwielowsee“ zu lauschen, den Lothar Weigert für den örtlichen Heimatverein hielt. Dabei kam doch ausgerechnet dieser Ort im Reisewerk der „Wanderungen“ wenig günstig weg, der Insellage wegen. Fontane hat sich – je länger, je lieber – eben überall durchgesetzt. Und Wagener? Vor 26 Jahren schrieb Klaus Arlt mal über ihn, seitdem ist Ruhe. Bei seinen Recherchen zum berühmten Theodor kam ihm der Pensionär und Hobby-Forscher Weigert wieder auf die Spur. Wagener führte Fontane nach Bornim, Glindow und Petzow, machte ihn mit den Sonderheiten der Schifferei auf der Havel vertraut, unterrichtete den Freund über den Handel mit Akazienholz, über Details zur Ziegelbrennerei, verriet ihm manche Heimat-Schnurre.
Fontane „revanchierte“ sich, indem er ganze Abschnitte von Wageners Veröffentlichungen in die Kapitel „Potsdam und Schwielowsee“ übernahm, wie den Part über das „Dreikönigstreffen“ 1709 in Caputh. Was gedruckt war, durfte nach seiner Meinung auch geplündert werden – ohne Quellenangabe und Namensnennung. Nachdem der Referent über den stillen Plagiator gesprochen hatte, wandte er sich seinem Wandergefährten zu. 1832 in Potsdam geboren, besuchte der Schneidersohn die Königliche Seminarschule, dann ein Lehrerseminar. Seine Abschlussarbeit galt dem Thema „Über die Sparsamkeit“. Dann unterrichtete Wagener die Kinder von Berufssoldaten, des Hofes, aber auch von Gewehrfabrikarbeitern an der Potsdamer Garnison-Schule im Fach „darstellende Geometrie“, eine Art Zeichnen. Zehn Jahre später gründete er den „Verein für die Geschichte Potsdams“, wozu 39 honorige Persönlichkeiten eingeladen waren, darunter Architekt von Arnim und Lenné. Man unternahm Ausflüge nach Paretz, Königs Wusterhausen und zur Nedlitzer Fähre.
Der zweite Theodor veröffentlichte seine „heimatgeschichtlichen“ Erkenntnisse in Jahrbüchern seines Vereins, 32 Artikel allein in den ersten sieben Bänden. Fontane kannte sie längst, bevor er ihm durch Vermittlung von Louis Schneider, königlicher Vorleser Friedrich Wilhelm IV., begegnete. 1881 redigierte er dann die Zeitschrift „Der Soldatenfreund“. Ohne die zugesagte „Ordensauszeichnung“ der Stadt mehr entgegennehmen zu können, starb „Lehrer Wagener“ 1894. Seine Ruhestatt gibt es nicht mehr, aber den beschädigten Grabstein. Grund genug für die Werderaner, zum Sammeln und Restaurieren zu blasen.
Der letzte Teil des Abends war einer sehenswerten Wanderausstellung zum Thema „Fontane am Schwielowsee“ gewidmet. Mitglieder der Heimatvereine rings ums Gewässer hatten die Schautafeln zum Mai vergangenen Jahres in liebevoller Arbeit gefertigt und nach ihren Orten sortiert. Gebrauchsgegenstände der alten Märker ergänzen die Exposition. Leider war sie wegen fehlender Ausstellungsflächen nur mittwochabends in Werder zu sehen. Der Insellage wegen? Wenn sie Anfang April in Glindow gezeigt werden wird, soll das Kapitel „Werder“ nachgeholt sein, versprochen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: