KulTOUR: Derb Kölsch’
Heftige „Nächsten-Hiebe“ im Beelitzer Tiedemann-Saal
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KulTOURHeftige „Nächsten-Hiebe“ im Beelitzer Tiedemann-Saal Beelitz - Satirisch-menschliches Kabarett oder bitterböse Sketch-Parade als Spiegel einer unguten Zeit? Von der Beantwortung dieser Frage hing wohl am Freitag das ganze Wohlwollen des Beelitzer Publikums gegenüber dem derbkomischen „Kabarett A – Z“ aus Köln ab. Corinna Walter und Frank Zollner, zwei exzellente Unikate in Mimik und Sprache, waren ja nicht in den „Tiedemann-Saal“ gekommen, ihr Publikum mit Nonchalance zu bedienen. Sie wollten ganz absichtlich „Nächsten-Hiebe“ auskeilen, solche, die auch richtig wehtun können. Wenn Oma und Opa auf dem Friedhof eher mit ihren Gebissen klappern denn miteinander reden, oder der greise Gatte einer dynamischen Jungen für sein nervig-stetes Gefrage mit dem Todesschuss bestraft wird, dann lacht man, wenn überhaupt, nicht ohne Beschämung. Jenseits allen Humors die Szene, wo eine Schwiegertochter die eben verstorbene „Oma“ aus Kostengründen gleich mehrfach verhökert, zuerst dem Crash-Test, dann an die Uni zum Sezieren, um, was nun noch übrigbleibt, dem anatomischen Museum zu vermachen. Gelegentlich war man vom Auftritt der beiden Gross-Städter auch peinlich berührt, in jener Sex-Nummer, welcher sich Frank Zollner in ackerstädtischen Umgebung vielleicht besser enthalten hätte; solche Übel entstehen wohl eher am Rhein als an der Nieplitz. Wie dem auch sei, die beiden Enthusiasten der bösesten aller Satire meinten es todernst, und nahmen dafür auch mal das Schweigen des Saales in Kauf - wer die „Harald-Schmidt-Show“ überlebt, ist ja mit allen Wassern gewaschen. Dem Publikum blieb also gar nicht viel Spielraum zwischen Gut und Böse, zwischen Annahme und Ablehnung dieses womöglich Kölschen Humors. Corinna Walter und Frank Zollner spielten ja ihre Sketche mit Leidenschaft und doppeltem Boden über 90 Minuten nicht schlecht, sie brachten auf den Punkt, was mancher gern nur als Komma sähe, etwa dann, wenn die Tochter den „Röchelopa“ nicht länger ertragen will, dieser aber, hinter ihrem Rücken, hinterhältig grinst. Wenn „sie“ mit unverbindlicher Freundlichkeit ins Telefon flötet, indes ihr Mann ob einer Entlassung vor dem Äußersten steht. So fallen wenigstens drei Schüsse inmitten der „Nächsten-Hiebe“, wo „Ehehölle und Familienirrsinn“ die Tage regieren. Man hört einander nicht zu, vergessen ist der Springersche Spruch „Seid nett zueinander“. Man ist böse, immer nur böse. Mit Stimmkraft und zungenflinker Sprachgewalt lief dieses mentale Wechselbad vor einem mehr berührten als begeisterten Publikum überschaubarer Zahl ab, bei Kerzen und Wein. Situationskomik, Slapstick-Effekte, und Zungenverdreher bestimmten oftmals den Ton, einige Songs inklusive. „Reines“ Lachen konnte sich bei so viel dargestelltem Übel nicht durchsetzen. Die Ehefrau freut sich zum Geburtstag auf den Gemahl, doch dieser ist allein zu seinem Kumpel am Handy nett. Was geschieht? Er wird kurzerhand erschossen, „entsorgt“. Was wollte man denn sagen, sind die Tagesmeldungen davon nicht voll? Das derbkölsche Duo lügt doch nicht, es übertreibt nur unangemessen. Und Unwohlsein im Parkett ist ja auch ein Indiz für die treffsichere Wahrheit. Gutes erwächst aus solchem Treiben wohl nicht, vielleicht aber Nachdenklichkeit. Wenn sich zwei Synchronsprecher eines Pornos nach der Arbeit ganz lieb verabreden, oder ein Ehestreit mit minniglichen Sitten ausgefochten wird, dann klingt ja alles viel freundlicher, wie aus einer anderen Welt.
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