zum Hauptinhalt
Tipis am Kähnsdorfer See. Der Indianistikbund lud Indianerfans aus ganz Deutschland in die märkische Einöde ein.

© Lutz Hannemann

Potsdam-Mittelmark: Deutsche Indianer unter sich

In Kähnsdorf fand in der vergangenen Woche die 40. indianistische „Week“ statt

Stand:

Seddiner See - 300 grellweiße Tipis sind auf der fernen Wiese verstreut, gleichmäßige Trommelschläge sind schwach zu hören. Vor dem Camp ein Parkplatz mit Autos aus ganz Deutschland. An einigen Innenspiegeln hängen Traumfänger. Wachposten, die indianische Decken nähen oder Tee aus selbstgehämmerten Blechtassen schlürfen, verhindern, dass sich unerwünschte Besucher dem Lager nähern. Einer sitzt auf einer Coca-Cola-Kiste, einer schnitzt gekonnt einen Löffel.

Auch die Presse darf das Camp nicht sehen. Eigentlich will man nicht mal darüber reden. Und wenn, dann darf der Text erst erscheinen, wenn die Zelte abgebrochen sind: Der deutsche Indianistikbund veranstaltete in der vorigen Woche in Kähnsdorf seine jährliche „Week“ – ein zehntägiges Treffen mit Indianerfreunden aus ganz Deutschland.

„Das ist eine private Veranstaltung“, sagt einer mit zerbeultem Hut, der von den Wachleuten herbeitelefoniert wird. Die Fläche sei für das Treffen gepachtet worden. Er gibt sich als Vorstandsmitglied des Indianistikbundes aus. Seinen Namen will er nicht nennen, er komme aus „einer Kleinstadt bei Hannover“. Immerhin sein Pseudonym: Hoka Peta Nata, was unter Lakota-Indianern so viel heiße wie „Singendes Feuer.“

Unter den 800 Gästen sei kein einziger, der sein Gesicht oder seinen Namen in der Zeitung sehen will, versichert er. Von Facharbeitern bis Akademikern sei alles vertreten. „Die Leute wollen hier in Ruhe ihren Urlaub machen.“ Manchem könne die Teilnahme an der „Week“ vielleicht im Job schaden. Tatsächlich scheint es selbst aus der Ferne ein bisschen verrückt, was sich hier abspielt.

An der Wache laufen spärlich bekleidete Bleichgesichter vorbei, halbgeschorene Herren in Lendenschurz und Federschmuck, Frauen in Lederteilen oder langen Wollgewändern mit geflochtenen Zöpfen. Einige führen ihre Hunde an der Leine, andere kommen mit ihren ausgelassenen Kindern vom Paddeln oder Baden im Kähnsdorfer See zurück. Auch einige indianische Reiter sind in der Kähnsdorfer Prärie unterwegs. Manche sind unter der sengenden Sonne zu Rothäuten verbrannt. Man fühlt sich tief im Westen.

Die Treffen haben eine lange Tradition, erzählt Franky, noch einer aus dem Vorstand. Er ist stilecht gekleidet mit Lendenschurz, Armreifen, einer Kette mit Schwarzbärklauen, Elchfelltasche mit Hufschalen – und er sieht ein bisschen gefährlich aus. Am Gürtel steckt ein altes Messer. Seine Fellmütze mit Federschmuck und Fellschwanz – ein Vierteljahrhundert ist sie alt. „Schreib, dass sie aus Kojotenfell ist“, sagt Franky.

Die Indianistik-Klubs aus Radebeul, Taucha und Triptis hätten die „Weeks“ schon in der DDR veranstaltet. In diesem Jahr fand in dieser Tradition die 40. „Week“ statt. Ein Jubiläum. Die Indianistikszene unter Honecker sei, erzählt einer mit geflochtenem Bart, der Versuch gewesen, eine andere Sicht auf die Dinge, auf das Leben zu gewinnen. Das gelte auch für die Gegenwart. Vielleicht doch nicht so verrückt.

Nach der Wende wurde der Indianistikbund gegründet, Ost- und Westvereine rauchten die Friedenspfeife, 52 Gruppen sind es heute insgesamt. In den „Weeks“ tauschen sie sich einmal im Jahr aus über ihre Erkenntnisse zu den Stämmen, zu denen sie forschen. Sie singen, nähen, schnitzen, tanzen, sitzen am Feuer. Sie sind weit, weit weg. Und bleiben unter sich. Henry Klix

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })