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Potsdam-Mittelmark: Diakonissen-Hauben im Wandel

Diskussion zum Kopftuchstreit im Diakonissenhaus Teltow: In der Bibel wird die Kopfbedeckung für Frauen gefordert

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Diskussion zum Kopftuchstreit im Diakonissenhaus Teltow: In der Bibel wird die Kopfbedeckung für Frauen gefordert Teltow. Wie halten wir es mit der Kopfbedeckung? Mit dieser etwas abgewandelten Gretchenfrage begann am Sonnabend das Frauenfrühstück im Evangelischen Diakonissenhaus. Thema: „Kopfbedeckung – Zierde oder Programm von Frauen?“ Schon vor Beginn der Gesprächsrunde meinten einige der rund 30 Teilnehmerinnen, das Kopftuch sei im Islam ein Instrument zur Unterdrückung von Frauen, weil sie sich nicht Gott, sondern der Männergesellschaft unterwerfen würden. Mit einem Exkurs in die eigene Religionsgeschichte versuchte Pfarrerin Dr. Erika Godel, das Thema zu erhellen. Während im Koran keine eindeutige Aussage zur Kopfbedeckung von Frauen gemacht wird, tut dies die Bibel sehr wohl. „Jede Frau aber, die betet oder weissagt mit unverhülltem Haupt, schändet ihr Haupt, denn sie ist ein und dasselbe wie eine Geschorene“, zitierte Godel aus dem Neuen Testament Paulus (1 Kor 11.5). Das Gebot sei heute ein „alter Hut“ und gesellschaftlich nicht mehr tragbar, war sich die Gesprächsrunde einig, denn das Christentum habe einen jahrhundertelangen Prozess durchlaufen. Sogar die Hauben der Diakonissen hätten sich gewandelt. Statt unbequemer Kinnschleife, wie noch im 19. Jahrhundert, wird die Haube heute aufgesteckt, weil das im Pflegedienst praktischer ist. Die jüngeren Diakonissen tragen bereits kleinere Modelle als ihre älteren Schwestern. Besonders flott sah das in der Samstagsrunde bei Oberin Reinhild Pursche aus. „Ich bin ja auch nicht ganz so echt“, meinte sie lachend, weil sie in der Einrichtung die erste verheiratete Oberin sei. Außerdem wären Diakonissen nicht verpflichtet, ständig Ordenstracht zu tragen, denn das sei eine Berufsbekleidung, so Pursche. Das Kopftuch wäre aber auch im Islam kein eindeutig religiöses Gebot, meinte Pfarrerin Godel. Der aktuelle Kopftuchstreit tauge nur bedingt zum Glaubensstreit, das Thema sei vielschichtiger. Trugen früher vor allem ältere Musliminnen Kopftuch, sind es nun die Jungen, die in aller Öffentlichkeit Kopftuch zum superkurzen Minirock tragen würden. Mehr Protest, statt Glaubensinhalt, vermutet Godel, da die jungen Frauen oftmals intellektuellen Kreisen angehören. Meist trugen bereits ihre Mütter kein Kopftuch mehr. Dass Kopftuch auch Schutz sein kann, erfuhr Martina Bieske auf ihren Reisen in den Orient. „Ohne Kopftuch kann man dort gar nicht arbeiten“, erzählte sie. So liefe bei Flügen stets das gleiche Ritual ab: Noch vor der Landung wischten sich Musliminnen Rouge und Lippenstift aus dem Gesicht, um sich dann total umzukleiden. Dass diese Verhüllungstradition Frauen hilft, sich vor den Männern zu schützen, erhitzte die Gemüter beim Frauengespräch. „Es geht also nicht um das Frauenbild, sondern um Männer!“, schlussfolgerten sie. „Nicht so leicht in schwarz und weiß ist dieses komplexe Thema einzuordnen“, meinte die Pfarrerin, nachdem die iranische Lehrerin Tayebeh Farah, erklärte, für sie sei das Kopftuch religiöses Bekenntnis. Die iranische Lehrerin, die seit acht Jahren in Teltow lebt, trägt im Alltag moderne europäische Kleidung. Doch zum Gottesdienst bedecke sie ihr Haar mit einem Tuch, erzählte Farah. Deutlich wurde im Gespräch, Integration muss nicht bedeuten, dass Einwanderer „ihr Anderssein aufgeben“. In Deutschland sei das französische Rezept, alles Religiöse unter Quarantäne zu stellen, also Staat und Kirche strikt zu trennen, nicht möglich, erinnerte Godel an deutsche Traditionen, wonach „jeder nach seiner Fasson selig werden“ könne. Zudem „hänge noch ein wesentlich jüngeres Geschichtskapitel den Deutschen an und mahne, klug zu reagieren“, so Godel. Trotzdem wird der Kopftuchstreit auch künftig ein gesellschaftliches Reizthema sein, aber Konsens herrschte in der Gesprächsrunde, dass es dabei nicht hilft, mit dem Erfahrungsvorsprung westlicher Gesellschaften zu argumentieren. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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