
© Mathissen
Potsdam-Mittelmark: Diakonissenhaus verdoppelt Plätze für Freiwilligendienste Soziales Engagement nimmt auch ein Jahr nach dem Ende des Zivildienstes weiter zu
Teltow - Morgens steht Jackeline Piper jetzt gerne auf: „Es fühlt sich nicht einmal an wie Arbeit“, sagt die 25-Jährige, die seit März für das Teltower Diakonissenhaus Demenzkranke in den Grüber-Häusern in Berlin-Zehlendorf betreut. Während ihrer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und dem angefangenen BWL-Studium sei das noch anders gewesen, die Tage schleppender.
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Teltow - Morgens steht Jackeline Piper jetzt gerne auf: „Es fühlt sich nicht einmal an wie Arbeit“, sagt die 25-Jährige, die seit März für das Teltower Diakonissenhaus Demenzkranke in den Grüber-Häusern in Berlin-Zehlendorf betreut. Während ihrer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und dem angefangenen BWL-Studium sei das noch anders gewesen, die Tage schleppender. „Ich bin selbst erstaunt, wie schnell mir die Bewohner ans Herz gewachsen sind.“ Wenn Jackeline Piper erzählt, ist ihr die Lust auf Lebenserfahrung deutlich anzumerken – auch Trauriges gehört dazu. „Mit dem Tod lernt man hier umzugehen, weil er eben passiert.“ Eigentlich hatte sie sich für den Bundesfreiwilligendienst beworben. Weil die Kapazitäten bei der Diakonie dafür aber ausgereizt waren, absolviert Jackeline Piper jetzt ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ).
Dass der Bundesfreiwilligendienst so stark nachgefragt würde, hätte vor einem Jahr kaum jemand geglaubt: Zu schlechtes Image, zu schlecht bezahlt: Die Bedenken gegen das neue Programm des Bundesfamilienministeriums waren groß. Er soll den Zivildienst ersetzen, der mit dem Abschaffen der Wehrpflicht im vergangenen Sommer ebenfalls wegfiel. Ohne Zwang, so glaubten viele, würden sich junge Menschen nicht sozial engagieren, die neu geschaffenen 35 000 Plätze würden nicht annähernd so viele Bewerber finden. Soziale Einrichtungen fürchteten, die Arbeit der Zivis nicht ersetzen zu können.
Heute, genau ein Jahr später, ist die Nachfrage nach den Freiwilligen-Diensten so groß, dass die Stellen kaum ausreichen. Die Zahl der Bundesfreiwilligen stieg von 921 im Juli 2011 schnell auf rund 28 000 Anfang dieses Jahres an. Heute leisten bundesweit 32 000 Menschen verschiedenen Alters ihren Dienst, 9 000 haben ihn bereits hinter sich.
Am Diakonissenhaus Teltow-Lehnin-Zehlendorf war die Nachfrage von Anfang an groß, nicht alle Bewerber konnten aufgenommen werden. Ab September sollen die Plätze deshalb verdoppelt werden – von bislang 30 auf 60 Stellen. Allerdings, räumt die dortige Freiwilligen-Beauftragte Birgit Mathissen ein, sei der Anteil derer, die ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) machten, dabei nach wie vor deutlich höher. Für die Bundesfreiwilligen gebe es weiterhin nur elf Plätze. Grund dafür sei nicht die mangelnde Nachfrage für die Bufdi-Stellen: „Die Plätze sind vom Ministerium kontingentiert worden“, so Mathissen. Die Gelder sind für das kommende Jahr ausgeschöpft.
Von einer Konkurrenz zwischen beiden Angeboten ist hier trotzdem nichts zu spüren. Denn viele Teilnehmer sind nicht festgelegt: Anders als Jackeline Piper hatte sich Nicky Bürger zunächst für ein FSJ beworben. Weil es dort im pädagogischen Bereich keine Plätze mehr gab, riet Mathissen ihr, sich als Bundesfreiwillige zu bewerben. Seit September arbeitet die 21-Jährige in der Kita des Diakonissenhauses, inzwischen ist klar, dass sie Erzieherin werden möchte – und auch erstmal bei der evangelischen Einrichtung bleiben wird. Ab Herbst beginnt sie eine dreijährige Ausbildung an der Dietrich-Bonhoeffer-Schule, die zum Unternehmen gehört. „Egal, wie stressig die Arbeit wird, von den Kindern bekommt man immer etwas zurück“, sagt sie. Wenn es ihr zu bunt wird, könne sie auch mal laut werden, – „manchmal war ich vielleicht zu laut.“ Der Austausch mit den Erziehern helfe dann, das eigene Verhalten einzuordnen. Ganz nebenbei eigne sie sich bei der Arbeit den theoretischen Hintergrund an – etwa, warum Kinder während der oralen Phase alles in den Mund nehmen müssen. In ihren ursprünglichen Beruf als gestaltungstechnische Assistentin zurückzukehren, kann sie sich heute nicht mehr vorstellen.
Dass die Freiwilligendienste für viele Anfang 20-Jährigen eine wichtige Orientierung sein können, bestätigt auch Mathissen. „Viele wissen nicht sofort, was sie studieren sollen oder wollen erstmal einen Eindruck von der echten Arbeitswelt bekommen.“ Die 40-Stunden-Woche steckten die meisten gut weg, so ihr Eindruck.
Als erfüllende Aufgabe beschreiben auch Piper und Bürger ihren Dienst. Für Jackeline Piper ist es deshalb auch nicht so schlimm, dass sie zusätzlich zu den 250 Euro Taschengeld, die sie vom Diakonissenhaus bekommt, Hartz IV beziehen muss, um über die Runden zu kommen. Die gesetzliche Höchstgrenze für das monatliche Taschengeld liegt bei allen Diensten bei 336 Euro. Dazu werden Sozialversicherungsbeiträge übernommen und die Verpflegung bezahlt. Viele Einrichtungen übernehmen auch die Unterkunft, am Diakonissenhaus könne man das allerdings nicht leisten, so Mathissen.
Im Vergleich mit dem Zivildienst sieht sie allerdings zumindest einen deutlichen Unterschied: Den höheren Frauenanteil. Nur ein Drittel der Freiwilligen am Diakonissenhaus seien Männer. Beliebt bei beiden Geschlechtern sei die Arbeit mit Kindern, die Plätze im pädagogischen Bereich seien deshalb für das Jahr 2012/ 2013 schon seit März vergeben. Aktuell sind in der evangelischen Einrichtung noch 25 Plätze offen, vor allem für die Krankenhäuser in Lehnin, Luckau und Ludwigsfelde würden Bewerber gesucht.
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