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Potsdam-Mittelmark: Dialog der Generationen

Stahnsdorfer Jugendliche wurden auf dem Gelände des Seniorenzentrums „Florencehort“ heimisch

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Stahnsdorf - Das geht doch nicht gut, wurde Grit Liszkas gewarnt, als sie vor einem halben Jahr anregte, den Anbau des Seniorenzentrums „Florencehort“ der Jugendeinrichtung „ClaB“ als Domizil anzubieten. Schon länger stand der Flachbau im hinteren Bereich des Grundstückes leer und die Jugendeinrichtung suchte dringend ein Ausweichquartier bis zum Ende der Bauarbeiten im Stammhaus an der Poststraße.

„Wir haben genügend Platz“, signalisierte Leiterin Liszkas kurz darauf dem ClaB-Team, obwohl in der evangelischen Pflegeeinrichtung nicht wenige befürchteten, dass die neuen Gebäude bald mit Graffitis beschmiert sein würden. Auch um die Ruhe der Bewohner sorgte man sich. Vor allem einige Angehörige der Senioren waren von Liszkas Idee nicht sonderlich angetan. Beim Sommerfest am vergangenen Wochenende waren alle Bedenken verflogen. Dass nun Jung und Alt miteinander feiern wird als ganz normal empfunden. „Da ist etwas ins Rollen gekommen“, erzählt Liszka mit leuchtenden Augen und gesteht, dass ihr schon jetzt etwas bange sei, wenn die jungen Leute Anfang nächsten Jahres wieder in die Poststraße zurückkehren werden. Schon die erste Begegnung mit einigen Mädchen und Jungen, die durch die Flure des Seniorenzentrums liefen, habe ein Strahlen auf die Gesichter der Bewohner gezaubert, erinnert sich Liszka. Wie unkompliziert das Miteinander geworden ist, berichtet auch der Stahnsdorfer Maler Eberhard Trodler. Er begleitete wieder die alljährliche Kreativwoche des „ClaB“ und empfahl diesmal den jungen Künstlern, die Bewohner zu zeichnen. Doch bevor einige von ihnen Modell saßen, zeigte Trodler einen Film über das Hungerjahr 1945, um beide Generationen ins Gespräch zu bringen. So erfuhren die Jungen manches, was nicht in ihren Geschichtsbüchern steht, dafür aber um so treffender diese Zeit charakterisiert.

Seinerzeit wurden sogar die eigenen Dielenbretter verheizt, um nicht zu erfrieren. Hungern und Frieren waren auch im Winter 1946 an der Tagesordnung, erzählten Heimbewohner, weshalb man sich aufs „Fringsen“ verlegte. Das hieß nichts anderes als Kohlenklau, allerdings von höchster Stelle abgesegnet: vom Kölner Erzbischof Josef Frings. Er rechtfertigte das Plündern von Kohlezügen, da es in großer Notlage geschah. Beeindruckt von den Schilderungen begannen die Jugendlichen die Bewohner zu malen. Auch einige Senioren griffen zu Stift und Papier. Staunend stellte ein Mädchen danach fest: „Frau Mehlhase ist 90 und kann super gut zeichnen.“ Gemeinsam wurde auch ein kleiner Streichelzoo errichtet, wobei der Heimbewohner Günter Trautvetter tatkräftig mit anpackte.

Drei Meerschweinchen sind die ersten Insassen, bald werden auch Kaninchen durchs Gehege hoppeln. Damit sie nicht vom Fuchs geholt werden, sei unter dem Boden ein Maschendraht eingezogen worden, erklärt der neunjährige Max Otto. „Dafür haben wir einen ganzen Tag lang umgegraben“, sagt er stolz. In der vergangenen Woche, in der sie auf dem Gelände des „Florencehortes“ zelten durften, kam keine Langeweile bei Max und den anderen auf. Eine Dampferfahrt mit den Senioren über Brandenburger Seen und ein Bowlingtag gehörten zu den Highlights. Außerdem waren junge ungarische Gäste aus Güterfeldes Partnerdorf Küngös wieder zu Besuch. Bereits das zweite Mal wohnten sie in der alten Villa im „Florencehort“. Und wenn von dort lebhaftes Lachen aus einem offenen Fenster drang, steckte diese Fröhlichkeit auch die Bewohner des Seniorenheims an.

Kirsten Graulich

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