Von Henry Klix: Die Brückenbauerin
Auch in Ferch ist der Uferweg teils in privater Hand – am Gehrke-Haus besteht eine denkwürdige Lösung
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Schwielowsee - Eine Waldschneise gibt den Blick auf den winterweißen Schwielowsee frei. Die Holzbrücke am Bildrand lädt ein, zum Ufer hinabzusteigen. Stufen und Geländer tragen an der Schneelast wie die Äste der Bäume. Den „Blick von der Veranda“, den der havelländische Maler Hans-Otto Gehrke (1896-1988) einst eingefangen hat, gibt es bis heute. Gehrkes Nachlassverwalterin Erika Bauer behütet das Künstlerhaus im Fercher Ortsteil Neue Scheune seit über 20 Jahren. Sie findet, dass dessen altes Fachwerk, der Efeu-Garten und die wunderbaren Landschaftsbilder Hans-Otto Gehrkes genauso zu dessen Lebenswerk gehören wie die Brücke über den öffentlichen Fercher Uferweg, die sich auf vielen Gehrke-Bildern wiederfindet.
Mit Interesse verfolgt Erika Bauer den Uferstreit am Griebnitzsee und am Groß Glienicker See in Potsdam. „Ich würde mich freuen, wenn überall Brücken entstehen“, kommentiert sie die Situation. „Die Menschen auf den Wegen freuen sich. Und die anderen behalten ihre Eigenheit.“ Brücken seien Markenzeichen für ihre Erbauer und die Landschaft.
Zwischen Potsdam und Ferch gibt es Parallelen: Seit einigen Jahren wird der zweieinhalb Kilometer lange Fercher Uferweg saniert, der Bau des letzten Abschnitts Richtung Petzow steht unmittelbar bevor. Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) ist „glücklich und stolz“, anderthalb Kilometer ohne Streit geschafft zu haben. Fördermittel gibt es nur, wenn die Nutzungsrechte geklärt sind. Erika Bauer ist eine von bislang drei Eigentümern, mit denen sich die Gemeinde einig werden musste. Bauer stimmte vor fünf Jahren ohne Umschweife einem 99-jährigen Wegenutzungsrecht zu, auch die anderen.
Den Uferweg in Ferch gibt es seit Jahrhunderten, er diente stets auch als Abkürzungsstrecke in dem ausgedehnten Dorf. Als öffentlicher Weg wurde er erst vor zehn Jahren gewidmet, wie es aus dem Rathaus heißt. Für den letzten noch zu sanierenden Kilometer wurde man mit sieben weiteren Eignern handelseinig, mit zweien wird noch verhandelt. Der Weg als solches steht nicht zur Debatte, betont Ortsvorsteher Roland Büchner (BBS). „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass jemand in Ferch den Uferweg versperrt. Wie lange will er dann noch hier wohnen?“
Das Grundstück von Erika Bauer hatte der Malervater Martin Gehrke 1913 von den Von Rochows erworben, zuerst nur das „Oberland“. Als ihm einige Jahre später für 10 000 Goldmark das „Unterland“ inklusive Weg angeboten wurde, kaufte er es dazu. „Er wäre nie auf die Idee gekommen, den Uferweg zu sperren“, meint Erika Bauer. Anfang der 20er Jahre wurde vom Fercher Architekten Ebel dann die Brücke zum Ufergrundstück gebaut. Alte Fercher erzählen, dass es einst mehrere solcher Brücken gegeben hat. Bis vor wenigen Jahren bestand noch eine zweite in der Nähe der Bootsklause. Erika Bauer selbst hat den Trampelpfad darunter schon als junges Mädchen häufig genutzt. Später hatte sie ihr Boot am Gehrke-Grundstück liegen.
Als sie 1988 Haus und Grundstück von Hans-Otto Gehrke erbte, nahm sie sich zwölf Jahre Zeit für die schrittweise Sanierung. In der DDR bekam sie dafür nicht mal eine Baugenehmigung, der Erhalt der Anlage galt als „ökonomisch nicht tragbar“. Das Haus gehört zu den ältesten Gebäuden in Ferch: Der Brennmeister der Kalkbrennerei, die hier seit 1450 bestanden hatte, soll darin gewohnt haben, dann der Waldhüter. Schließlich wurde es zum Sommerhaus der Gehrkes. Nachdem Hans-Otto Gehrke 1927 sein Atelier dauerhaft von Berlin hierher nach Ferch verlegt hatte, wirkte sein Freund, der Bornimer Gartenphilosoph Karl Foerster, an der Gartengestaltung mit. Es ist eines der wenigen, erlebbaren Künstleranwesen der havelländischen Malerkolonie.
Einer der ersten Sanierungsschritte Erika Bauers: Nach dem Abriss der baufälligen Ebel-Brücke wurde sie originalgetreu nachgebaut. „Ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn keiner darunter am Ufer langlaufen kann“, sagt sie. Inzwischen könnte die Brücke wieder eine Verschönerungskur vertragen. Wenn das Anwesen zum Tag des offenen Gartens geöffnet wird, knarren die Balken. Erika Bauer würde sich freuen, wenn sich Tischlerlehrlinge an der Erneuerung beteiligen. Es wäre eine anspruchsvolle Aufgabe: Haus, Garten und Brücke stehen seit zwei Jahren unter Denkmalschutz.
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