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INTERVIEW: „Die Ehrenamtlichen nehmen Menschen diffuse Ängste“

Herr Theuer, die Flüchtlinge in Ferch bleiben in der Erstaufnahmestelle nur vier bis acht Wochen, bevor sie in anderen Heimen untergebracht oder abgeschoben werden – wieso engagieren Sie sich trotzdem?Dass wir dort unsere Hilfe anbieten, ergibt durchaus Sinn.

Stand:

Herr Theuer, die Flüchtlinge in Ferch bleiben in der Erstaufnahmestelle nur vier bis acht Wochen, bevor sie in anderen Heimen untergebracht oder abgeschoben werden – wieso engagieren Sie sich trotzdem?

Dass wir dort unsere Hilfe anbieten, ergibt durchaus Sinn. Die Flüchtlinge, die nach Ferch kommen, sind noch völlig fremd hier, da ist es besonders in den ersten Wochen wichtig, ihnen vielseitige Berührungspunkte zu bieten, die sie sonst nicht haben würden. Und auch wenn sie abgeschoben werden, nehmen sie ein Bild aus Deutschland mit – und zwar, dass sie hier freundlich und menschenwürdig behandelt wurden.

Was sind denn solche Berührungspunkte?

Am Anfang steht immer die Sprache. Und fast alle besuchen den Sprachunterricht. Sport macht es einfach, zusammenzukommen – da braucht es nicht viele Worte. Basteln, Stricken, Fahrräder reparieren, Livemusik ... im Grunde spielt das ‚Was’ gar keine große Rolle. Vor allem, dass es Kontakt gibt, ist wichtig.

In Schwielowsee gibt es viele Unterstützer des Netzwerks, gerade beim Sprachunterricht gibt es sogar eine Warteliste von Freiwilligen. Haben Sie es mit so einer toleranten Bürgerschaft sehr einfach, Hilfe zu organisieren?

Ich denke schon, dass wir es einfacher haben. Von verschiedenen Stellen höre ich, dass es in Ferch prima läuft. Wachschützer aus anderen Einrichtungen wollten sich schon hierher versetzen lassen (lacht). Die Außenstelle der zentralen Erstaufnahme ist fast schon ein Vorzeigeobjekt geworden, das ist auch ein Stück weit die Arbeit der Ehrenamtlichen. Von der Gesellschaft enttäuschte Menschen lassen sich schwerer motivieren. Wir haben hier einen guten Nährboden, ein gelungenes Beispiel hat auch Ausstrahlungskraft auf andere Kommunen.

Das Engagement ist auch nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln ungebrochen hoch?

Ja. Die Ehrenamtlichen, die sich hier engagieren, stehen ja auch in der Schlange im Supermarkt oder vor der Theke beim Bäcker und nehmen, wenn sie davon mitkriegen, den Menschen hier ihre diffusen Ängste. Das ist für die Stimmung im Ort sehr wichtig.

Wie sind Sie vor gut einem Jahr gestartet und wo stehen Sie heute?

Anfangs waren wir zum Teil naiv, hatten Ideen, die aufgrund der Fluktuation der Flüchtlinge gar nicht möglich waren. Wir haben so manchen Lernprozess hinter uns und mittlerweile sind die Strukturen einigermaßen klar, es wird einfacher. Die einzelnen Arbeitsgruppen organisieren sich selbstständig, einmal im Monat kommt ein Teil von ihnen mit der Kontaktgruppe zur Koordinierung zusammen. Darauf hatten wir gehofft, dass – wo, wenn nicht hier – so ein Netzwerk der Unterstützung klappen könnte. Um manches aber mussten wir kämpfen und feststellen, dass einige Voraussetzungen für ehrenamtliche Arbeit in Ferch schlichtweg vergessen wurden.

Inwiefern?

Wir haben ein großes Raumproblem, es gibt wenig Platz für die Arbeit der Freiwilligen. Da hat mittlerweile die Zentrale Ausländerbehörde dazugelernt. Mit dem neuen Betreiber ab Februar, dem Deutschen Roten Kreuz, DRK, haben wir schon gesprochen. Auch das DRK sieht ein Raumproblem. Da drängen wir gemeinsam auf eine Lösung.

Haben Sie vor, die 30 minderjährigen Flüchtlinge zu unterstützen, die demnächst in das leer stehende Caputher Hotel „Goldener Anker“ ziehen sollen?

Möglich ist das, erste Ideen haben wir auch schon. Wir müssen erst noch mit dem Betreiber der Einrichtung, Job e.V., sprechen, was er plant – aufdrängen wollen wir uns nicht.

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