zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Die elastische Faszination Gummiwerk-Geschichte im Heimathaus Caputh

Schwielowsee · Caputh - Dichtungen, Rohlinge, Gummischuhe, Fahrradgriffe und Traktorreifen älterer Bauart gehören eher in ein technisches Museum als in Haus, das sich mit Heimatgeschichte beschäftigt. In Caputh jedoch kommt beides in einem zusammen.

Stand:

Schwielowsee · Caputh - Dichtungen, Rohlinge, Gummischuhe, Fahrradgriffe und Traktorreifen älterer Bauart gehören eher in ein technisches Museum als in Haus, das sich mit Heimatgeschichte beschäftigt. In Caputh jedoch kommt beides in einem zusammen. Die ehemalige „Gummibude“ war und ist der größte Arbeitgeber im Ort. Heute wirbt sie, als MaTec Gummiwerk GmbH, in moderner Gestalt, weltweit um neue Kundschaft. Außer der Raumfahrt, so Geschäftsführer Rainer Manigk, beliefere das von ihm geführte Werk mit 1200 Artikeln sämtliche Industriezweige, weil ja „überall Gummi drin ist“. Fünfzig Mitarbeiter mit Vollbeschäftigung im Dreischichtsystem – wo findet man das noch?

Caputh ist diesem Manne noch immer dankbar, weil er das Werk 2000 vor dem Untergang gerettet und im Ort belassen hatte. Auf Initiative der rührigen Damen vom Heimatverein ist nun, wie zum Dank, eine sehenswerte Ausstellung zur Betriebsgeschichte entstanden, darin man alte Fotos sehen kann, „unseren größten Faltenbalg“ und das allerkleinste Teil der aktuellen Produktion, vergilbte Fachzeitschriften sowie taufrische Zertifikate. Viele der historischen Gegenstände wurden von einstigen Betriebsangehörigen gestiftet, und einige ließen es sich nicht nehmen, bei der feierlichen Vernissage am vorigen Sonnabend dabei zu sein. Neben den Offiziellen. Manigk, der in dem 1950 als Vulkanisierwerkstatt gegründeten Unternehmen selbst gelernt hat, kennt sie alle mit Namen.

Die Ausstellung ist wirklich etwas Besonderes, denn in ihr sind Sozial-, Kultur- und Heimatgeschichte ein einziges Ding. Als „elastische Faszination“ gepriesen, zeigen Schautafeln im Hinterhaus, was man damals so alles mit Gummi gemacht hat. Den Grundstoff lieferte Hevea brasiliensis, die hohe Kautschukpflanze, bevor man den Stoff synthetisch herstellte. Ein solcher Baum aus Pappmaschee ist in der Exposition zu sehen, allerdings hängen an ihm statt Früchten kleine Wärmflaschen blauer Farbe.

Die Jummibude (ein echter Caputher sagt nie „Gummi“) exportierte die Originale tatsächlich haufenweise nach Nordafrika, aber nicht, weil es den Arabern zu kalt geworden wäre, vielmehr zur Wasserversorgung ihrer Wüstenzüge! Bis 1958 war der florierende Betrieb Teil einer Produktions-Genossenschaft, dann selbständige Genossenschaft, bevor 1972 die Zwangsverstaatlichung kam. Man wollte keinen selbständigen Mittelstand. Die sozialistisch-ökonomische Chaos-Theorie griff sofort: Zuerst VEB, 1979 jedoch „unselbständige Produktionsstätte“ im Kombinat Pneumant, aus dem Rainer Manigk den Betrieb 1990 wieder herauslöste.

Man hatte damals sogar ein eigenes Werbemännchen: So mahnte Dr. Pneu in Zeiten höchster Reifenknappheit: „Prüf rechtzeitig dein Profil, Schlechtwetterfahrten sind kein Spiel!“ Oder war dies eine Prophetie? Was in solch windigen Zeiten alles möglich war, beispielsweise eine Frauenfußball-Mannschaft, konnte man im Heimathaus mit Staunen erfahren, und so man Fragen hatte, stand jemand bereit, um über die elastische Faszination Auskunft zu geben. Das soll auch so bleiben, ausgeschiedene Belegschaftsmitglieder erklärten sich bereit, während der Öffnungszeiten „aus dem Nähkästchen zu plaudern“. Gute Idee. Die Offiziellen also lobten, die „Ehemaligen“ erinnerten sich – einmal Jummi, immer Jummi, so ist das in Caputh.

Bis Ende September am Wochenende von 15 bis 18 Uhr im Heimathaus Caputh, Krughof 28.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })