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Potsdam-Mittelmark: Die Engelsflügel von Potsdam

Ehemaliger Gartenbaudirektor der Schlösserstiftung, Michael Seiler, unterstützt Protest gegen Templiner Spange – und sagt, warum

Schwielowsee / Potsdam - Der ehemalige Gartendirektor der Schlösserstiftung, Michael Seiler, ließ Donnerstagabend keine Zweifel aufkommen: Der Templiner See sei Bestandteil der Potsdamer Kulturlanschaft. Und der vor 50 Jahren gebaute Bahndamm über den See sei ein „politischer Unfall“, den man nicht noch durch eine Straße über den See verewigen sollte. „Das wäre ein Skandal.“

Seiler war Gast der Caputher Initiative „Rettet den See“, die sich mit vielen anderen Gruppierungen gegen die Pläne für den Bau der Templiner Spange wendet. Die Umgehungsstraße soll die B 2 und die B 1 zwischen Nesselgrund und Pirschheide entlang des Bahndamms verbinden, um Potsdam geringfügig vom Verkehr zu entlasten. Eine interkommunale Arbeitsgruppe, die das Vorhaben vorantreiben sollte, wurde aufgelöst, die Pläne liegen auf Eis. Trotzdem will „Rettet den See“ weiter ein wachsames Auge auf den Fortgang der Dinge richten und den Blick für den Wert der Kulturlandschaft weiter schärfen, wie Initiativensprecher Hans-Joachim Kursawa erklärte.

Professor Seiler – erst vor zwei Jahren von der Stiftung in den Ruhestand verabschiedet – gab den fachlichen Einblick in die Materie, der einigen Entscheidungsträgern in der Landeshauptstadt zu fehlen scheine, wie es hieß: Das Lennésche Erbe beschränke sich nicht auf Sanssouci und den Neuen Garten. Die Feldflur im Norden und der Wildpark im Süden hätten Potsdam erst seine „Engelsflügel“ verliehen, sagte Seiler. Die Havel umschließe die Gesamtanlage als Gartensee.

Die Havel als verbindendes Element war für Lenné, der in seinen Anfangsjahren französische Flüsschen erst zu Gartenseen aufstaute, wie ein Geschenk. In seinem Lebenslauf spricht er von der Havel als „See mit einem großen Park vom Carlsberge bei Baumgartenbrück bis zur Pfaueninsel“. Wasser war für den Hofgärtner das „Auge der Landschaft“, wie Seiler an alten Veduten darlegen konnte: Einst war die Sicht vom Schlosspark Caputh zur Potsdamer Stadtsilhouette noch unverstellt. Der Blick mit der Mittagssonne im Rücken und den umgebenden Hügeln auf Potsdam war grandios. Und auch aus anderen Blickrichtungen wurde der Templiner See effektvoll in Achsen und als Spiegel einbezogen. Für den noch heimatlosen Preußenprinz Albrecht hatte Lenné einst sogar einen Schlosspark im Bereich des Forsthauses Templin geplant – der Lebemann zog dann allerdings ins fröhlichere Dresden und baute sich am Elbhang die „Albrechtsschlösser“.

Seiler regte an, den hohen Bahndamm – in der DDR zur Umfahrung Westberlins gebaut – wenn schon nicht stillzulegen, so doch zumindest abzusenken, um einen Teil des früheren Eindrucks zurückzugewinnen. Einen Teil des Damms als Landzunge zu erhalten, könnte dem Wesen Lennéscher Gartenkunst entsprechen. Die Option für einen Rückbau dürfe man sich auf keinen Fall durch eine Straße verbauen, betonte Seiler. „Es gibt moderne Verkehrsleitmöglichkeiten, damit die Autos gar nicht erst durch die Stadt fahren sondern den Autobahnring nutzen.“ Auch Florenz sei keine Durchfahrt-, sondern eine Anfahrtstadt.

Seiler sagte der Initiative „Rettet den See“ seine Unterstützung zu. Dort denkt man gemeinsam mit anderen Initiativen darüber nach, diese und ähnliche Argumente bei der Unesco-Welterbekommission einzusetzen – um die Pufferzone um das Potsdamer Weltkulturerbe zu erweitern und das Straßenprojekt auf Dauer unmöglich zu machen. Henry Klix

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