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Aus dem GERICHTSSAAL: Die Falsche angeklagt? Keine Erinnerung an Zusammenstoß mit Kind

Werder – Eigentlich war es der Sohn, der Gisela G.* auf die Anklagebank brachte.

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Werder – Eigentlich war es der Sohn, der Gisela G.* auf die Anklagebank brachte. Gewollt hat das der Jurastudent auf keinen Fall. Schließlich ist er 100-prozentig von der Unschuld seiner Mutter überzeugt. Staatsanwältin und Amtsrichter Francois Eckardt hegen zumindest Zweifel an der Täterschaft der 50-Jährigen, sprechen sie auf Kosten der Staatskasse frei.

Laut Anklage soll die Werderanerin am Vormittag des 3. August 2006 mit ihrem Fahrrad auf einem Fußgängerüberweg Unter den Linden einen dreijährigen Jungen angefahren haben. Obwohl sie den Zusammenstoß bemerkte, soll sie die Unfallstelle unmittelbar danach verlassen haben. Das Kind erlitt Schrammen und Prellungen am Rücken, durfte zwei Tage lang nicht in die Kita. In der örtlichen Presse wurde daraufhin nach einer Frau gefahndet, die an jenem Tag mit rotem Oberteil und Leggings bekleidet gewesen sein soll. Auch der Sohn von Gisela G. las den Aufruf, fragte seine Mutter, ob sie zu besagter Zeit mit ihrem Rad in Werder unterwegs war. Die bejahte nach kurzem Nachdenken, konnte sich aber beim besten Willen nicht an einen Unfall mit einem kleinen Kind erinnern.

„Ich wusste, dass meine Mutter am 3. August ein rotes T-Shirt trug“, erzählt der Sohn der Angeklagten im Zeugenstand. Da Gisela G. fast täglich mit dem Rad durch Werder fahre, er kurz zuvor in seiner Studiengruppe über das Thema Unfallflucht diskutiert habe, sei ihm der spontane Gedanke gekommen, seine Mutter könne die Gesuchte sein. Allerdings habe er diese Idee sofort verworfen, als er bei ihr zu Hause aufgetaucht sei. „Meine Mutter war wie immer. Hätte sie einen Unfall verursacht, wäre sie nie und nimmer geflüchtet“, glaubt der 28-Jährige.„Die Sache ließ mir keine Ruhe“, berichtet Gisela G. Obwohl sie sich keiner Schuld bewusst war, habe sie sich bei der Polizei gemeldet, anschließend die Mutter des Kleinen aufgesucht und sich nach dessen Ergehen erkundigt.

Eine Augenzeugin erinnert sich vor Gericht, das Kind sei bei grüner Ampel auf die Straße gelaufen, mit der Radfahrerin kollidiert und hingefallen. „Ich habe mich furchtbar darüber aufgeregt, dass die Frau einfach weitergefahren ist.“ Ob die Angeklagte die Unfallflüchtige ist, vermag sie nicht zu sagen. In ihrer Erinnerung war die Radfahrerin wesentlich jünger, hatte auch eine andere Frisur.

Cathleen C.* (23), die Mutter des Dreijährigen, ist sich allerdings sicher, Gisela G. habe ihren Sohn angefahren, danach das Weite gesucht. „Er war nur zwei bis drei kleine Schritte vor mir, als wir den Überweg überquerten. Ich habe ihm erklärt, dass man sich hier beeilen muss, weil die Ampel sehr schnell wieder auf rot schaltet.“ Nach dem Unfall habe sie sich natürlich erst einmal um ihr Kind gekümmert“, so die junge Frau. „Aber ich habe die Radfahrerin dann kurz von Weitem gesehen. Ich habe sie ja noch gefragt, ob sie bescheuert ist, einfach abzuhauen“, erzählt sie. „Ich habe sie auch gleich wiedererkannt, als sie ein paar Tage später vor meiner Tür stand.“ Die Verteidigerin der Angeklagten wirft ein, die Zeugin könne sich das Gesicht ihrer Mandantin auch erst bei diesem Besuch eingeprägt haben – ein Argument, dem sich Staatsanwaltschaft und Gericht nicht verschließen können. (*Namen geändert.) Hoga

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