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Von Henry Klix: Die Geltower Springprozession

Bei der Bewerbung der Gemeinde Schwielowsee um den Titel eines Erholungsortes hat der Ortsteil Geltow schlechte Karten

Stand:

Schwielowsee - Geltows Ortsvorsteher Heinz Ofcsarik (BBS) war am Montagabend ein bisschen geladen. Das hat ihn vielleicht auch daran gehindert, als Vorsitzender des Kulturausschusses die Sitzung angemessen moderat zu leiten und unterschiedliche Argumente aufzunehmen. Mit der Bewerbung der Gemeinde Schwielowsee um den Titel „Staatlich anerkannter Erholungsort hat Ofcsarik seine Probleme. Und es war ganz offenbar sein fester Wille, dass das am Montagabend auch wirklich jeder ganz deutlich merkt.

Der Titel „Staatlich anerkannter Erholungsort“ wird vom Wirtschaftsministerium vergeben, derzeit werben damit 16 brandenburgische Kommunen. Auf der Tagesordnung des Kulturausschusses: die Finanzierung des Bewerbungsverfahrens. Für eine „Erholungsortentwicklungskonzeption“ werden 30 000 Euro benötigt, für ein neues touristisches Wegeleitsystem 85 000. Zudem wünschen sich das Rathaus und der Schwielowsee Tourismus e.V. seit Jahren eine Personalstelle für Tourismusmarketing, die wachsenden Aufgaben sind durch Ehrenamtliche und durch Überstunden der Bürgermeisterin kaum noch zu bewerkstelligen, zumal nun auch noch das aufwändige Bewerbungsverfahren ansteht. Selbst das Wirtschaftsministerium erachtet eine solche Planstelle als notwendig, sie würde knapp 34 000 Euro im Jahr kosten.

Laut Kurortgesetz ist für den Titel „Erholungsort“ eine landschaftlich bevorzugte und klimatisch günstige Lage erforderlich. Es müssen geeignete Einrichtungen, gekennzeichnete Rad- und Wanderwege, Sport-, Spiel- und Liegewiesen sowie ein Frei- oder Hallenbad vorhanden sein. Vor sieben Jahren wurde auch Werder (Havel) das Qualitätssiegel verliehen, die Nachbarkommune möchte nun gleichziehen, der Tourist kennt die Gemeindegrenzen ja nicht – und soll sie auch nicht spüren.

Doch Ortsvorsteher Ofcsarik, sekundiert von seiner Geltower Fraktionskollegin Brigitte Mundt, fragte „mal ganz grundsätzlich“, was die Gemeinde denn „auf der Einnahmeseite“ von dem Titel eigentlich habe? „Können wir Kurtaxe einnehmen, bekommen wir mehr Zuschüsse?“ Und warum, so Ofcsarik, gibt es für das kostspielige Bewerbungs verfahren denn keine Fördergelder? „Sonst beschließen wir doch nur über Sachen, wo es auch Fördergelder gibt.“

Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) hatte ihre liebe Not, zum x-ten Male zu erklären, dass es um den Tourismus als Wirtschaftsfaktor gehe, um Richtungsentscheidungen und Marketing strategien, um Gästezahlen, mit denen in den einschlägigen Unternehmen Umsätze akquiriert werden. Hoppe erklärte, dass die Gemeinde vor allem im touristischen Bereich Wachstumspotenziale aufweise, da nun mal keine Industriestandorte in der Nähe sind. Dazu Ofcsarik: „Wir sind aber doch zuerst unserem Bürger verpflichtet, und dann erst dem Gast.“

Schließlich wurde jeder einzelne Punkt des Beschlussvorlage aus dem Rathaus von ihm zerlegt - mit Aussagen wie „Wir haben doch schon so viel Geld für Schilder ausgegeben“. Ausschussmitglied Heide-Marie Ladner (SPD) fühlte sich an die „Echternacher Springprozession“ erinnert: „Erst beschließt die Gemeindevertretung, dass wir uns als Erholungsort bewerben wollen, dann wollen sie kein Geld dafür ausgeben. Das ist ein Schritt vorwärts, zwei zurück.“ Und eine berufene Bürgerin – neu im Kulturausschuss – wollte gar eine gewisse „Engstirnigkeit“ wahrgenommen haben.

Hintergrund der Geltower Stimmungslage dürfte wohl ein Schreiben des Wirtschaftsministeriums vom 19. Dezember sein: Die Gemeinde hatte bei den Ministeriellen ein Vorvotum beantragt, um zu erfahren, ob das kostspielige Bewerbungsverfahren überhaupt Erfolgsaussichten hat. Die dazu anberaumte Ortsbesichtigung habe gezeigt, „dass die Gemeinde Schwielowsee touristisches Potenzial zur staatlichen Anerkennung als Erholungsort besitzt“, heißt es hoffnungsfroh in der Antwort des Tourismus-Referatsleiters Martin Linsen. Der Erholungswert sei deutlich zu erkennen.

Doch dann kommt es knüppeldick: „Schwerpunkte setzen dabei die Angebote in Caputh und Ferch, aber auch in Geltow sind kleinteilige Angebote vorhanden. Und später heißt es noch etwas deutlicher: „Bezüglich der hohen Verkehrsbelastung auf der B1 sollte die Kommune Überlegungen anstellen, ob der Ortsteil Geltow mit in die Antragsstellung einbezogen werden sollte. Die hohe Verkehrsdichte könnte negative Auswirkungen auf den Erholungswert der Gemeinde Schwielowsee haben.“

Das muss die Geltower tief getroffen haben, die Dreieinigkeit am Schwielowsee ist ein für allemal futsch. Da nutzte es nichts, dass Kerstin Hoppe am Montagabend die wichtigen Funktionen des schönen alten Geltower Dorfkerns, gerade für den Tourismus auf dem Wasser, anpries oder die Möglichkeiten, die sich mit dem neuen Sportlerheim ergeben könnten. Heinz Ofscarik und Brigitte Mundt enthielten sich bei der Abstimmung über die Beschlussvorlage. Die anderen drei Ausschussmitglieder – SPD, Linke und CDU – stimmten zu. Der Rathaus-Antrag hat bis zu einer Beschlussfassung in der Gemeindevertretung noch drei weitere Ausschüsse zu durchlaufen. Wer dann wie diskutiert, ist absehbar.

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