Potsdam-Mittelmark: Die Heilige Schrift ab Seite 67
Fürstenwalder Bibel-Ausstellung zeigt eindrucksvolle Sammlung mit Leihgaben der Bevölkerung
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Fürstenwalder Bibel-Ausstellung zeigt eindrucksvolle Sammlung mit Leihgaben der Bevölkerung Von Bernd Kluge Bibelfest ist Bernd Norkeweit eigentlich nicht. Trotzdem dreht sich bei dem 44-jährigen Mitarbeiter der Fürstenwalder Domgalerie derzeit alles um die Heilige Schrift. Die Domgalerie der Spreestadt hatte im Sommer eine Bibel-Ausstellung mit Leihgaben aus der Bevölkerung initiiert. Mit ungeahnter Resonanz: Mehr als 250 Exemplare, viele davon aus dem 17. und 18. Jahrhundert, wurden für die wohl einmalige Schau inzwischen zur Verfügung gestellt - von der kleinsten Ausgabe der Welt, deren 1245 Seiten auf einem Dia Platz finden, bis zu Riesen-Wälzern, die kaum zu tragen sind. Angesichts der täglich neu ankommenden Exemplare hat Norkeweit wahre Schwerstarbeit zu leisten. Gerade schleppt er einen überdimensionalen Neuzugang aus Cottbus in die bis Mitte November laufende Ausstellung. Die sächsische Prachtbibel von 1736 im Din-A3-Format ist etwa zwei Handbreit dick und mindestens 15 Kilogramm schwer. Der kostbare, goldverzierte Ledereinband ist mit wuchtigen Messingverschlägen versehen. Der Galerie-Mitarbeiter ist den Anblick derartiger Raritäten inzwischen gewohnt. Er zeigt sich angesichts der kostbaren Sammlung dennoch überrascht: „Diese Bibeln sind eine Menge wert, trotzdem stellen ihre Besitzer sie uns zur Verfügung.“ So stammt das älteste Gottesbuch aus dem Jahr 1550, Leihgabe eines alten Fürstenwalders und einst gefertigt von Martin Luthers Bibeldrucker Hans Lufft. Dass sich derartige Antiquitäten noch in Ostbrandenburger Haushalten finden, hätte Norkeweit angesichts des einst stark kriegszerstörten Landstrichs nicht vermutet. Der 44-Jährige streicht über den sichtlich lädierten Buchrücken einer verstaubten Heiligen Schrift, die einst einer Familie in Ostpreußen gehörte. Die Bibel war bei der Flucht 1944 das Einzige, was die Bewohner aus dem Haushalt retten konnten, haben ihm Nachfahren erzählt. Ein ähnliches Schicksal hat auch die zerfledderte Soldaten-Bibel in Zigarettenschachtel-Größe, die Wehrmachts-Baupionier Scholle selbst über die Zeit im russischen Kriegsgefangenen-Lager rettete. Aufgrund der Vielfalt verwundert es Norkeweit nicht, dass nicht nur Gläubige den Weg in die Ausstellung finden. „Auch wenn man mit dem Neuen Testament nicht vertraut ist, sind die Zeugnisse deutscher Geschichte und Buchdruckerkunst sehenswert“, schwärmt Norkeweit. Wichtig für ihn sind vor allem die vielen Anekdoten, die hinter den anvertrauten Büchern stecken und die er interessierten Besuchern gern erzählt. Da fällt vor allem ein Exemplar mit Spanholzdeckel und Aluminiumkreuz ins Auge. Klappt man die Bibel auf, so beginnt die Heilige Schrift erst auf Seite 67. Der Fürstenwalder Christian Heyn hatte das Buch in den 50er Jahren auf einem Bauernhof im benachbarten Steinhöfel vor dem endgültigen Aus im Ofen gerettet. „Die Bäuerin benutzte die Bibel-Seiten täglich zum Feuermachen – bis Heyn einschritt“, erzählt Norkeweit. Diese und andere Geschichte notiert er jetzt für einen Ausstellungskatalog, in dem auch Ablichtungen besonders anspruchsvoll gestalteter Bibelseiten zu sehen sein werden. Denn blättern dürfen Besucher in den Original-Exemplaren nicht. Hat doch die Domgalerie den Leihgebern im Alter zwischen 6 und 91 Jahren versprochen, die Bücher unbeschadet wieder zurückzugeben. Nur fünf Schenkungen bleiben auch nach der Bibel-Schau im Bestand der Fürstenwalder Dom-Bibliothek. Die Ausstellung ist bis 16. November montags bis freitags von 10 bis 16 Uhr zu sehen.
Bernd Kluge
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