zum Hauptinhalt

KulTOUR: Die Lämmer am Waldesrand

Mit dem Kulturforum Schwielowsee nach Petzow gepilgert

Stand:

KulTOURMit dem Kulturforum Schwielowsee nach Petzow gepilgert Schwielowsee – Gepilgrimt wird bei jedem Wetter. Das ist Wandern, Pilgern auf des Schusters Rappen hin zu fremden Zielen. Unvorstellbar, eine solche Reise wegen Eis“ und Regens abzusagen. Ein echter Pilgrim erreicht sein Ziel. Das war auch jüngst so in Ferch, als das Kulturforum Schwielowsee und die Kirchengemeinde zu einer ungewöhnlichen Veranstaltung luden. Wer mit dem Auferstehungsfest nicht viel am Hute hat, konnte ein „Wandelkonzert“ erleben, das in der Fercher Fischerkirche begann und mit einem zweiten in Petzows Schinkelbau unter den gemalten, gefilzten und gewalkten Bildern von Sybille Seidel endete. Für den christlich empfindenden Teilnehmer gehörte dieser Nachmittag als ernst gemeinte „Pilgrimage“ zur Vorbereitung auf die Osterfeier. Zum ersten Konzert kamen etwa 35 Gäste, gut 200 Minuten später waren es auf der Werderaner Seite noch immer 20, das konnte sich wohl sehen lassen. Der Auftakt in der hübschen Fischerkirche stand mit erlesenen Orgel- und Vokalwerken des 17. und 18. Jahrhunderts ganz im Zeichen von Gotteslob und Heilserwartung eines „in Unglück und Hass befangenen Menschengeschlechtes“, wie es in der Motette „O vulnera doloris“ von Giacomo Carissimi (1605-1674) heißt. Beifall nach jedem Vortrag. Solo spielte Lothar Knappe unter anderem eine chromatische Fantasia von Sweelinck (1562-1621), aus welcher man den protestantischen Geist geradezu heraushörte. Man empfing eine meist schlanke, unaufwändige und eindrucksvolle Interpretation. Kraftvolle Qualitäten zeigte der Bass Kai-Uwe Fahnert sowohl bei der umfangreichen Kantate „O plenus irarum dies“ von de Brossard (1655-1730) als auch in jener von Brevi (um 1700), „Catenae terrenae“ betitelt. Beide wurden lateinisch gesungen. Freilich bestätigte sich dann auch in der Petzower Kultur-Kirche, dass zu viel Volumen die Modulation eher behindert. Es war echtes Pilgrim-Wetter: Böiger Wind trug Nässe und Kälte heran. Nur wenige nutzten das Angebot, von Ferch aus per pedes die Wege zu laufen, um gegenüber Musik aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu hören. Zwischenstation auf freier Strecke am Wegrand: Hier hatte der Künstler Adi Bachmann eine bunte Lämmerherde der Zahl 13 aufgebaut. Jedes trug einen Wimpel der Versöhnung. „Liebe den Tätern, den Ausbeutern, den Verurteilten, den Tieren“ usw. stand darauf zu lesen. Ein Hirte für die „Friedenslämmer“ war nicht sichtbar. Regen. An urchristliche Feldgottesdienste erinnernd, trug Pastor Andreas Uecker eindrucksvolle Texte alter Quellen vor, passend zum Bild vom Lamm Gottes, von Hirten und Schafen. Wieder im Trockenen, konnte man das titelgebende Werk „Pilgrimage“ des 1926 geborenen US-Komponisten Carlisle Floyd auf Englisch hören, Psalmenvertonungen meist, wie auch später bei Brahms. Kai-Uwe Fahnert interpretierte auch diesmal ganz schlicht. Die Pianistin Liana Narubina spielte dann auf dem Flügel Präludien von Schostakowitsch, sehr harmonische Sachen, ganz feminin empfunden und voller Eleganz vorgetragen. „Vier ernste Gesänge“ von Brahms beendeten den Nachmittag würdig und angemessen. Die kleine Gemeinde hielt sich noch etwas zusammen, bevor dann jeder Wanderer eigenen Weges nach Hause pilgerte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })