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KulTOUR: Die Last des anderen Rittmeister-Saal mit Ausstellung eingeweiht

Werder - Wie auf einer Bühne, durch Stufen vom übrigen Raum erhöht, scheint das großformatige Bild „Die Woge“ den frisch-geputzten „Rittmeister“-Saal in Kemnitz zu beherrschen. Vor pechschwarzem Himmel rast sie gischtend auf den Betrachter zu.

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Werder - Wie auf einer Bühne, durch Stufen vom übrigen Raum erhöht, scheint das großformatige Bild „Die Woge“ den frisch-geputzten „Rittmeister“-Saal in Kemnitz zu beherrschen. Vor pechschwarzem Himmel rast sie gischtend auf den Betrachter zu. Im dunklen Blau dieser tobenden Wucht glaubt man den Kopf eines Liegenden zu erkennen, auf der Schaumkrone ein weiteres Profil.

Es gehört zu dem Maler Hermann Bachmann, welcher diese elementare Unruh im Jahr 1965 aus seinem Inneren erschuf. Drei Jahre später sollte er wenigstens 160 Bilder seiner „blauen Periode“ verbrennen, für sieben Jahre schweigen, um danach mit dem bewunderten „Bachmann-Grau“, welches sich nicht fotografieren lässt, erneut emporzutauchen.

Geboren 1922 in Halle, malte er schon mit 14 Jahren, was die Nazis später aussortierten. Vom Kriegstrauma Stalingrad erzählen einige Arbeiten in der Feldsteinkirche nebenan, wo sich „Johannes der Täufer“ nur schwer aus dem unscharfen Bildsujet heraushebt. Im strahlenden Ultramarin findet man hier die stilisierten „Blauen Kreuze“ als Reflex auf jene düstere Zeit neben der Skulptur eines liegenden Kopfes, direkt am Altar.

Eine andere Arbeit, den biblischen Spruch „Einer trage des anderen Last“ aufnehmend, könnte die am vergangenen Sonntag eröffnete Präsentation im Gasthof „Zum Rittmeister“ sogar übertiteln. Es ist eine Doppel-Ausstellung der ganz besonderen Art: Bis zum Krebstod ihres Mannes 1995 stand die ausgebildete Bildhauerin Gisela dem Künstler treu zur Seite, als man ihn wegen mangelnder Treue zum Sozialistischen Realismus in der DDR nicht haben wollte. Nach Westberlin übergesiedelt, fand er dann in Carl Hofer einen verständnisvollen Freund, dessen Nachfolge er an der Hochschule der Künste mit einer Professur antrat. Sie hielt ihm immer „den Rücken frei“, damit er – „Meister der Farben“ – schaffen konnte. Nachdem man ihn in ihrer Geburtsstadt Karlsruhe begraben hatte, begann sie wieder figürlich zu arbeiten. So findet man in diesem wundersamen Raum auch viele Bronzefiguren kleineren Formats in Weiß, Schwarz oder im Originalton. Laudatorin Rosemarie Jacobs lobte sie wegen ihrer Ausgewogenheit und innerer Ruhe sehr. Das Besondere: Gisela Bachmann hat die Bildthemen ihres im Geist seiner Zeit abstrakt malenden Gatten in klassisch-schöne Skulpturen („meine Puppen“) umgesetzt, die man berühren und streicheln solle. Während alle Welt von Bild zu Bild, von Figur zu Figur schritt, saß sie stumm und bescheiden am Tisch ihrer Freunde, des Ehepaars Jacobs, welches diese Ausstellung hatte.

Leider gibt es außer dem gut gestalteten Flyer kein weiteres Material über das Künstler-Ehepaar – damit man sich ein Bild machen kann. Aber dafür sind ja die Werke da, obwohl es, so die Festrednerin, hier nicht darum gehe, „was uns der Künstler sagen wollte“, sondern wie seine Bilder zum Betrachter sprächen. Zahlreiche Aquarelle und Skizzen aus den 50er und 60er Jahren tun es auf eine Weise, Titel wie „Grausitzender frontal“, „Rotzellen“ oder „Nachtsitzer“ auf eine andere. Reich vertreten die Bilder der letzten, „silbernen“ Schaffensperiode: Der überschriebene „Brief an Picasso“, „Irrzonen“ oder „Teufel“, dessen Leib-Haftigkeit dank Gisela Bachmann sinnend daneben sitzt. Ihr Gatte malte die wogende Unruhe als „fortlaufenden Prozess“ buchstäblich bis zu seinem Tode – auch das gleichen ihre Skulpturen im Sinne des Bibelspruches aus. Wirklich sehenswert.

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