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Endstation Machnower Schleuse: Hier war auch der historische Endpunkt der Linie nach Lichterfelde.

© Manfred Thomas

Von Kirsten Graulich: Die letzte Haltestelle

Am Samstagvormittag zog der historische 96er Tramwagen aus Teltow an die Machnower Schleuse – ein technisches Spektakel

Stand:

Region Teltow - Wie eine Zange hängt der rote Kranarm vom Himmel – bereit, nach der alten Straßenbahn zu greifen, die seit zehn Jahren an der Potsdamer Straße/Ecke Elbestraße stationiert ist. Ihr Umzug von Teltow an die Machnower Schleuse hat in den letzten Wochen für Gesprächsstoff gesorgt, am Sonnabendvormittag herrscht Abschiedsstimmung in Teltow. Kurz nach zehn, schauen viele Neugierige hinauf zum Kranhaken, die Kameras schussbereit für ein letztes Bild. Doch so leicht macht es die „Elektrische“ dem Umzugsteam des Technischen Hilfswerkes und der Freiwilligen Feuerwehr nicht, sie an die Schleuse umzusiedeln. Weil bei der ersten Greifaktion Glas zu Bruch ging, ist nun klar, wie die 80-jährige Dame sanft angefasst werden muss: sanft! Vandalen, Wind und Wetter hatten ihr in den letzten Jahren arg zugesetzt.

Fürsorglich werden die Gurte erneut angelegt, um drei Tonnen Last auf den Transporter zu hieven. 10.26 Uhr ist es vollbracht, die Umstehenden applaudieren. Doch es sind auch andere Töne zu hören. „Was wird nun mit der Lücke hier?“, will ein älterer Herr wissen. Und eine Frau meint, dass jetzt etwas fehle. Ein junges Ehepaar wünscht sich schöne Grünpflanzen und Bänke, wird jedoch empört unterbrochen von einer Seniorin: „Was meinen Sie, wer da wieder sitzen wird und alles vermüllt!“

Eine Idee für das kleine Areal gibt es bereits: ein Gedenkplatz für den 17. Juni. Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) will das aber noch von den Gremien der Stadtverordnetenversammlung entscheiden lassen, da bereits der Hamburger Platz dafür ausersehen war. Den Umzug der Bahn sieht er als regionale Entscheidung, für die sich vor allem die Heimatvereine stark gemacht hatten. „Auch wenn die Bahn jetzt weg ist“, sagt Schmidt, „geht sie doch nicht verloren“.

Schließlich zieht die betagte Dame an einen zentralen geografischen Punkt der Region: Am südlichen Ufer des Teltowkanals – neben dem Schleusenparkplatz auf Stahnsdorfer Terrain – wurde von der Großbeerener Firma Spitzke das Gleisbett verlegt, nur knapp 20 Meter von der historischen Endhaltestelle der Tram-Linie entfernt. Von hier aus fuhr die Bahn seit 1888 nach Berlin-Lichterfelde. Ab 1930 konnten die Fahrgäste der Linie 96 sogar bis Berlin-Mitte fahren. Unterbrochen wurde der Verkehr erst zu Zeiten des Mauerbaus im August 1961.

Teltow habe in den letzten fünf Jahren für das übriggebliebene Artefakt nicht viel getan, räumt SPD-Mann Frank Fromm ein, wünscht sich aber ein kleines Schild, dass die Bahn eine Dauerleihgabe der Teltower ist. Alle sind vom neuen Standort überzeugt, an dem die Bahn zum Informationszentrum der drei Heimatvereine hergerichtet werden soll. Die Kleinmachnower Schleuse ist seit ihrer Sanierung und der Eröffnung der Schleusnerbude zum Publikumsmagneten geworden. Auch der Stahnsdorfer Kommunalpolitiker Peter Ernst ist erleichtert: „Dort ist eine Videoüberwachungskamera, außerdem wird die Bahn beleuchtet.“

Mit zehn Stundenkilometern reist die 96 an ihre letzte Haltestelle, wo sie von Schaulustigen erwartet wird, auch von den drei Bürgermeistern. Kurz nach 12 Uhr ist Millimeterarbeit angesagt: Es dauert, die Bahn auf die Gleise zu bugsieren. „Aber wir sind lieber mit 200 Prozent auf der sicheren Seite als mit 50 auf der schlechten“, erklärt Horst Gäsche, der an diesem Vormittag rund 30 THW-Leute von den Ortsverbänden Steglitz-Zehlendorf, Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Potsdam dirigiert. Gäsche war schon dabei als die 96 seinerzeit aus Ruhlsdorf nach Teltow transportiert wurde. Jetzt freut er sich, weil sie alle „endlich mal wieder was Schönes machen“.

Auch das Zusammenspiel mit den zehn Feuerwehrleuten lobt Gäsche, und als 13 Uhr die Bahn auf der Schiene ist, fällt ihm einer um den Hals, der sich bis dahin im Hintergrund gehalten hat: Umzugs-Initiator Peter Hahn. Dem Organisator des diesjährigen Schleusenfestes war die Anspannung anzumerken. Jetzt sei er glücklich, weil es so traumhaft gelaufen ist, und verrät auch gleich sein nächstes Projekt: Die Treidelbahn aus Lichterfelde an die Schleuse zu holen.

Kirsten Graulich

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