KulTOUR: „Die Menschen finden meine Bilder“
Doris Quest und Helga Schulze – zwei Künstlerbesuche am Tag des offenen Ateliers in Kleinmachnow
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Kleinmachnow - Unterschiedlicher hätten die Eindrücke am adventlichen „Tag der offenen Ateliers“ gar nicht sein können – zweimal Kleinmachnow, zwei Künstlerinnen nicht mehr ganz jungen Alters, zwei so unterschiedliche Lebenserfahrungen und Ästhetiken, dass man sich fragte, ob nun die Kunst so viele Gesichter habe, oder ob sie ihre Jünger stets zu eigenem Ausdruck treibt. Vergleichbar ist da gar nichts, sonst wäre viel Armut im Geiste.
Dort, wo längst schon keine „Lindenbahn“ mehr fährt, die tief gelegten Gleise baumgrün zugewachsen sind und Häuser selten Zäune brauchen, dort wohnt Doris Quest mit ihrem Mann, ein bekannter Schauspieler, Regisseur und Rotarier. Vor dem Haus eine gewaltige Linde, an der Tür ein junger Terrier namens Bobby, man kam zu früh, die Dame des Hauses war noch mit der Vollendung eines exzellenten Johannisbeer-Kuchens beschäftigt. Ein wunderbarer Adventskranz stand auf dem Tisch, der Kamin ward angezündet, man kam ins Gespräch.
Dieser Hausstand ist offenbar „verinnerlicht“, und der Weg von Doris Quest scheint genauso wunderlich wie der von ihrem Mann. Nach der Begegnung mit dem Indianer Art Reade fing die gelernte Gärtnerin 1995 plötzlich an zu malen, Tag und Nacht, und immer nur Blumen. Im Hause, das im Hochparterre keine anderen Wände als die Außenmauern kennt, hängen viele davon, Tulpen und Lilien, Rosen, Lotos, Rhododendron, meist auf quadratischem Grund oder im schlanken Hochformat, damit setzt sie die Motive in ihr eigenes Energiefeld. Alle haben Beziehung zu ihrem Inneren oder zur Arbeit des Gatten, zur Inszenierung des „Serail“ oder des „Nathan“.
Gelb herrscht oft vor, scheinbare Fläche, schaut man aber genauer hin, so wird klar, warum diese Blüher keine Vasen brauchen: sie selbst sind der Raum für die Bilder in Öl. Und sie leben so sehr, dass man bei den gelben Rosen im Subterrain sogar Engel erkennt, die sich einfach ins Bild gesellt haben. Alles original aus dem Inneren, was die Autodidaktin malt, keiner, der mit einem Quest-Bild nicht „glücklich“ geworden sei: „Die Menschen finden meine Bilder“, nicht umgekehrt. Eine Werkschau in Potsdam steht noch aus.
Helga Schulze ist von ganz anderer Natur. Sie hat seit Jahrzehnten den Künstler mit dem Lehrer vereint, achtet besonders aufs Handwerk, welches das Können erst macht, auf die schwindende Fähigkeit der Heutigen, sich zu verständigen, sie schaut aktiv in die Welt, und grimmt wohl ein wenig, und lächelt, und malt ihre Bilder in Öl, radiert oder schafft diese tollen Monotypien.
Einmal im Jahr wird in der nicht gerade hellen Wohnung neu gehängt, der Gatte hat alles im Griff. Über der Tür zwei Bilder – Ziege oder Kuh? – das ist sie selbst. Eine klassische Radierfolge mit allem, was der Mensch braucht oder nicht, Brot und Wein ja, Überfluss nein, sonst ist man ein Esel; abgehobene Künstler auf einer Vernissage; eine morbide Dame Venedigs im Träumen; ihr eigener „Lebens-Triptychon“ als Schmetterling, anfangs voller Schönheit und Kraft, zuletzt mit abgenommenen, hängenden Flügeln und verbogenen Fühlern – dieser humorvoll-grimmige Abstand zu sich selbst gibt so vielen ihrer Arbeiten Tiefe und Charme. Farbige Akte als Aquarelle, Masken, hinter denen nichts ist, Holzschnitte sanfter Tauben, und nochmals Venedig, wo ein überlebensgroßer Dante grübelnd den Touristenstrom reflektiert, oder fein beobachtete Olympiasieger in satter Grinse-Pose.
Kurz, Helga Schulze, die nicht so gerne ausstellen mag, hat die Augen zur Welt, sie reagiert auf die Zeit, sogar auf den Nachbarn hinter seiner Gardine. Distanz zu sich selbst und Sicherheit in vielen Techniken machen ihre ganz eigene Kunst aus. Adria oder Nordsee, die Dolomiten oder die Mark, Abwenden, Zuwenden, die passende, die verkehrte Geste – das Leben dieser verquirlten Welt heute. Nicht zu vergleichen die beiden, aber ein ungeheurer Eindruck, jedes für sich.
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