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Von Tobias Reichelt: „Die nackte Wahrheit würde stören“

Eine Teltower Schülerband will es den Großen der Berliner Musikszene zeigen – und spricht Klartext

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Teltow - Die Rezeptur bleibt geheim, aber das Ergebnis lässt sich hören: Superknackig, superscharf aber eben auch chillig-entspannt. Mit diesem musikalischen Mix schickt sich eine Teltower Schülerband an, es den Großen der Punk- und Metall-Musikszene zu zeigen. Der Erfolg gibt ihnen Recht. Im bekannten Berliner Musikclub Knaack konnten sich die vier Jungmusiker gegen brüllende, keifende und schreiende Altrocker durchsetzen. Mittlerweile stehen sie im Halbfinale des bundesweit ausgetragenen Emergenza-Musikwettbewerbs und werden im legendären Berliner Club „SO 36“ um den Einzug ins Finale spielen.

„Da werden wir uns richtig ins Zeug legen“, sagt der 18-jährige Bandsänger Niko Gindler und rückt unruhig auf einem Stuhl im Musikraum des Teltower Immanuel Kant Gymnasiums hin und her. Hier finden sich die Jungs einmal in der Woche ein, um gemeinsam zu proben. Mit ihrem schnellen Erfolg, der plötzlichen Aufmerksamkeit und dem Trubel hatten sie nicht gerechnet. Erst vor einem Jahr hatten sie sich in ihrer jetzigen Besetzung, drei Schüler vom Kant-Gymnasium und ein junger Student aus Berlin, unter dem Namen „Chilliminös“ zusammengefunden.

Unvorbereitet besteigen die Musiker die Karriereleiter nicht: Auf einem Laptop hat ihr ebenfalls junger Bandmanager einen Zweijahresplan gespeichert. Ein eigener Proberaum, eine CD, T-Shirts, ein Musikvideo und eine Tour nach Hamburg sind aufgelistet. Für Konzertauftritte gilt künftig: „Bezahlung in Verpflegung plus Bares.“ Bisher gab’s bei Auftritten an Schulen und in Jugendclubs der Region nur zu essen – auch wenn es immer gut war, erklärt Sänger Niko Gindler. Nun soll sich das Musikerdasein auch finanziell lohnen. Denn bloß eine „Spaßband“ will „Chilliminös“ nicht sein.

Als „sehr melodischen Metal-Punk“, beschreiben die Vier ihre Musik. Gesungen wird immer in Deutsch: „Auch das vielleicht ein Grund für unseren Erfolg“, sagt Schlagzeuger Alex Dümont. „Wir legen Wert darauf, dass man uns versteht“, lautet die Devise. Im Song „Meinungsfabrik“ heißt es zum Beispiel: „Kinderprostitution und Menschenrechtsverletzung will auch heute keiner hören, die nackte Wahrheit zeigen statt Reality-Shows würde unserer Wirtschaft stören.“

Mit ihren kritischen Tönen wollen die Jungs die Gesellschaft erreichen, sagt Gitarrist Jan Küller. So geht es in den ersten fertigen Songs um Probleme unter Jugendlichen oder um die mutimediale Meinungsmache von Fernsehen und Zeitung. Und wichtig ist natürlich auch das Thema Liebe, sagt Sänger Niko Gindler in lässiger Haltung. Er ist bereits vergeben.

Trotz wachsender Fan-Gemeinde, brauchen sich die 17, 18, 19 und 21-Jährigen noch nicht vor kreischenden Groupies zu verstecken. Das Potenzial dazu hätten sie allemal. Doch eine Kommerzialisierung wie bei Tokio-Hotel schließen die Vier für sich aus. „Wir wollen unser eigenes Ding durchziehen“, sagt Jan Küller und erntet dafür ein zustimmendes Nicken seiner Kollegen.

Im Moment zählt nur der Wettbewerb im Berliner „SO 36“. In den Winterferien soll jeden Tag geprobt werden. Mit fünf neuen Liedern wollen die Jungs auftreten. Rund eine halbe Stunde bleibt ihnen, um das kritische Berliner Publikum zu überzeugen. „500 Leute passen in den Club“, sagt Gitarrist Jan Küller: „Die müssen erst einmal gerockt werden.“

www.chilliminoes.de.vu

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